Beim HSV verpasste Alexander Meier den Durchbruch. Jetzt kommt der Offensivspieler zurück - als Star von Eintracht Frankfurt.

Hamburg/Frankfurt. Bernd Hölzenbein kann sich noch genau an die Anfänge mit Alexander Meier erinnern. Der Weltmeister von 1974, der seit 2004 als sportlicher Berater und Scout für Eintracht Frankfurt arbeitet, saß gleich in seinem ersten Amtsjahr mit Meiers Eltern in einer Apfelwein-Kneipe im Stadtteil Sachsenhausen und verhandelte zusammen mit Vorstandschef Heribert Bruchhagen über ein Engagement des damaligen HSV-Profis. Der 1,96 Meter große Schlaks galt zwar als hoch talentiert, bekam aber unter Trainer Klaus Toppmöller wenige Einsatzzeiten, was auch verletzungsbedingte Gründe hatte. "Der Vater von Alex hat, wohl um seinen Sohn aufzuwerten, in lockerer Atmosphäre zu mir gesagt: Eure Generation von damals würde heute keine Sonne sehen", berichtet Hölzenbein. Es sei nicht einfach gewesen, Meier nach Frankfurt zu locken. Und auch der Weg zum heute dienstältesten Eintracht-Feldspieler war alles andere als ein Spaziergang. Hölzenbein: "Was musste er sich alles anhören: Er sei der Schwiegersohn von Friedhelm Funkel, er taugt nichts. Er muss weg ..."

Diese Sprüche sind heute längst Vergangenheit. Wenn der HSV am Sonnabend (18.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) die Hessen zum sogenannten Topspiel des Bundesliga-Spieltags empfängt, ist dieser Titel zumindest für die Gäste zutreffend. Mit 33 Punkten, nur drei weniger als Meister Borussia Dortmund, rangiert der Aufsteiger auf Platz vier, der am Saisonende für die Qualifikation zur Champions League berechtigt. Der ehemalige HSV-Trainer Armin Veh hat in der Main-Metropole eine mittelgroße Sensation geschafft. Und wenn es darum geht, die herausragenden Spieler dieses Aufschwungs zu benennen, fällt meist ein Name: Alexander Meier.

Nach einer hervorragenden Zweitliga-Saison, in der Meier als offensiver Mittelfeldspieler 17 Treffer erzielte, gelangen dem 30-Jährigen in 19 Spielen der aktuellen Bundesligasaison auch schon wieder zwölf Tore und eine Torvorlage. Er steht zusammen mit Robert Lewandowski (Dortmund) und Bayerns Mario Mandzukic auf Platz zwei der Torjägerliste. Fast zwangsläufig kreierten die Frankfurter Medien für Meier schnell den Begriff "Mittelfeldstürmer".

"Ich habe keine Ahnung, warum es so gut läuft, ich probiere einfach, gut zu trainieren, gut zu essen und zu schlafen", sagt Meier, der gleich sein Image bestätigt, kein Lautsprecher zu sein. Als einzige Extravaganz gönnt er sich den Schriftzug "Alex Meier" auf seinem Trikot. Sein Erklärungsansatz: "Vielleicht liegt es auch daran, dass mich der Trainer offensiver spielen lässt, ich habe dabei ein gutes Gefühl."

Veh und Meier, das passt offenbar. "Er ist auch menschlich absolut super, sagt einem die Wahrheit ins Gesicht, zum Beispiel, was er von einem Spieler erwartet. Aber er verzeiht auch ein schlechteres Spiel." Hölzenbein stützt diese Aussage: "Veh ist im mentalen Bereich ein Spezialist, er vermittelt den Spielern Selbstbewusstsein. Das Trainerteam hat großen Anteil, dass der Alex solch einen Schub gemacht hat."

Wer sich aber regelmäßig zum Training der Eintracht aufmacht, bekommt dort einen weiteren Grund für Meiers Leistungsanstieg präsentiert. Nach nahezu jeder Einheit absolviert der gebürtige Buchholzer noch 15 bis 20 Minuten Extraeinheiten, übt Schüsse, Flanken, Kopfbälle, nach dem Motto: ständige Wiederholung schafft Sicherheit. Für ihn nicht weiter erwähnenswert: "Ach, das machen doch viele." Konditionstrainer Christian Kolodziej hat ihn nach eigener Aussage auf ein "ausgesprochen gutes Fitnesslevel" gebracht, das er im Eintracht-System als hängende Spitze gewinnbringend einsetzen kann. Diejenigen, die ihn gut kennen, behaupten, er hätte viel früher durchstarten können, hätten ihn nicht Verletzungen gestoppt. Nun gilt er als klassischer Spätzünder.

Mit dem sportlichen Aufschwung hat sich auch sein Image verändert. Wenn ihn die Eintracht-Fans früher als "Fußball-Gott" bezeichneten, war es beißender Spott, heute rufen sie mit Inbrunst seinen Namen. "Es war nicht immer leicht", sagt Meier. "Aber es ist halt so: Schießt du die Tore, bist du der Held, wenn du vor dem Tor versagst, bist du der Depp. Ich habe immer versucht, mir das nicht so zu Herzen zu nehmen. Heute wissen die Leute, dass ich mit Herzblut dabei bin, Frankfurt ist meine fußballerische Heimat."

Zu seiner alten Heimat Hamburg - von 2001 bis 2003 spielte er auch für den FC St. Pauli - unterhält Alexander Meier, dessen Vertrag noch bis Juni 2014 läuft, kaum noch Verbindungen. Einzig zu Michael Schröder, dem sportlichen Leiter des HSV-Nachwuchses, gibt es Kontakt. "Ich bin nur ganz selten im Norden", sagt Meier, den es im Urlaub seit einiger Zeit in die USA zieht. In Miami hat er seine neue private Heimat gefunden.

Dass er Ende Mai, Anfang Juni womöglich sogar noch zu späten A-Nationalmannschaftsehren kommen könnte, wenn Joachim Löws Team in Miami und Washington auf Ecuador und die USA trifft, wäre die Krönung für eine jetzt schon außerordentliche Saison. Die Chancen stehen gar nicht schlecht, da zu diesem Zeitpunkt womöglich die Münchner und Dortmunder Spieler noch im Pokal- und Champions-League-Einsatz sind. Doch daran verschwendet Meier keinen Gedanken: "Das ist unrealistisch in meinem Alter." Die Sonne aber, das steht fest, wird er so oder so in Miami sehen.