Nach der Wahl des zuvor unbekannten Unternehmensberaters beginnt nun die Suche im neuen Aufsichtsrat nach einem Vorsitzenden.

Hamburg. So richtig wollte Ali Eghbal die Aufregung um seine Person auch am Tag danach nicht verstehen. "Alle haben mich gefragt, ob ich nicht auch über meine Wahl zum Aufsichtsrat überrascht war", sagte der 50-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt, "das war ich aber überhaupt nicht. Ich wusste doch, was ich kann und was ich nicht kann." Nur beim HSV wusste bis zu seinem denkwürdigen Auftritt bei der Mitgliederversammlung noch niemand, was der Unternehmensberater tatsächlich kann und was nicht.

Direkt nach der Wahl, auf der Eghbal durch seinen Hemd-und-Sakko-Striptease nachhaltig auf sich aufmerksam machte, nutzte der gebürtige Hamburger die Möglichkeit, seine neuen Ratskollegen in Saal 18 beim Feierabendbier kennenzulernen. Seinen Überraschungserfolg so richtig genießen konnte Eghbal dann aber erst, als er sich zu Fuß vom CCH auf den Weg ins Schanzenviertel machte, wo er am späten Abend mit Ehefrau Christine beim Portugiesen "La Sepia" essen und feiern ging. "Von ihr habe ich auch das Okay bekommen, mich nun in den kommenden Wochen und Monaten etwas intensiver beim HSV einzuarbeiten", sagte Eghbal, der bereits seit knapp 40 Jahren regelmäßig ins Stadion zum HSV geht.

Es wäre wohl unfair, den Deutschperser lediglich auf seine ungewöhnliche Vorstellungsrunde am Sonntag zu reduzieren. "Herr Eghbal hatte den kreativsten Eindruck hinterlassen", lobte Neu-Kollege Jürgen Hunke, "er war aber nicht nur ein Sprüche klopfender Clown, sondern konnte in seiner Rede durchaus auch mit Inhalt überzeugen."

Tatsächlich kann der Diplomkaufmann, der in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TRHS arbeitet, auch durch wirtschaftliche Kompetenz punkten. Bei der Treuhandgesellschaft Hamburg Süd betreut Eghbal Unternehmen in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen. "Ich bin durchaus imstande, eine Bilanz zu lesen", sagt der Unternehmensberater, der es aber vor allem mit seinem zweiten Standbein, der Erfindung der ersten muslimischen Cola Deutschlands, zur lokalen Bekanntheit gebracht hat.

Vor knapp zwei Jahren hatten Eghbal und sein Partner Gregor vom Endt die Idee zu der mit Dattelsirup gewürzten Cola, die nach islamischen Reinheitsvorschriften hergestellt wird und die sie Haji Cola nannten. Seitdem haben die beiden Unternehmer international mehr als 500.000 Flaschen der ungewöhnlichen Brause verkauft, die Eghbal im Freundeskreis den Spitznamen "Mr. Haji" einbrachte.

Nach seiner Wahl zum Aufsichtsrat dürfte aus "Mr. Haji" aber schon bald "Mr. HSV" werden. An sein erstes Stadionerlebnis kann sich Eghbal, der mit Ehefrau Christine im Grindelviertel nahe der Uni zu Hause ist, jedenfalls heute noch genau erinnern. "Ich war erstmals 1974 bei der 0:5-Niederlage des HSV gegen Bayern München im Volkspark. Das Spiel war eine gute Schule fürs Leben", witzelt der Fußballfan, der seit 2005 auch Supporters-Mitglied ist.

Im neu gewählten Aufsichtsrat will Eghbal in erster Linie vermitteln und "eventuell immer noch bestehende Gräben zuschütten". Dies war es auch, was er mit seiner viel beachteten Sakkoshow dokumentieren wollte. "Ich bin gleichzeitig glühender Fan und kompetenter Wirtschaftsvertreter", sagt Eghbal, "wenn diese Mischung bei mir funktioniert, dann kann sie doch auch beim HSV funktionieren."

Uneingeschränkten Zuspruch hat die Wahl des Außenseiterkandidaten, der 535 von 1002 Stimmen gewinnen konnte, allerdings nicht nach sich gezogen. Hinter vorgehaltener Hand wurde am Sonntag auch von einem Kasperletheater und sogar von einer Freakshow gesprochen. Die Fotos, wie sich Eghbal Sakko und Hemd auszog, um im roten HSV-Trikot zu posen, gingen in Sekundenschnelle über die Agenturen durch Deutschland. Das Bild des amateurhaften und bisweilen auch peinlichen HSV-Aufsichtsrats schien wieder einmal bestätigt. "Ich weiß, dass mein Auftritt ungewöhnlich war", sagt Eghbal, "mir ging es dabei aber nicht um eine Show, sondern darum, dass ich die Einigung der vermeintlich so unterschiedlichen Lager unterstreichen wollte."

Ob das geklappt hat, dürfte sich bereits bei der ersten Sitzung des neuen Kontrollgremiums zeigen, bei der am Montag ein neuer Vorsitzender gewählt werden soll. Erste Konstellationen und Mehrheiten wurden längst ausgelotet. Dabei gelten Neu-Kontrolleur Jens Meier und die bisherigen Stellvertreter Manfred Ertel und Eckard Westphalen als Favoriten, zudem hat Jürgen Hunke sein Interesse bekräftigt: "Wenn man mich fragt, bin ich bereit zu helfen. Wichtig ist, dass wir uns mit einer großen Mehrheit auf einen Kandidaten einigen. Ich wäre bereit, Verantwortung zu übernehmen." Eine mögliche Kompromisslösung: Meier beerbt Alexander Otto als Vorsitzender, Ertel und Westphalen bleiben die Stellvertreter, die den Rat nach außen vertreten. Und "Mr. Haji"? Der will sich nun selbst ein Bild machen. Bilder gemacht wurden vom neuen "Mr. HSV" ja mehr als genug.