Am Rande des Trainingslagers hat der HSV-Chef die Mitgliederversammlung vorbereitet. Die Zahlen, die er präsentieren muss, sind verheerend.

Abu Dhabi. Carl Jarchow sieht gut aus. Die Sonne der vergangenen sieben Tage hat einen respektablen Teint im Gesicht des Vorstandsvorsitzenden hinterlassen, nur um die Augen, die der HSV-Chef meist hinter einer Sonnenbrille versteckte, ist die Haut noch ein wenig blass. Der 57-Jährige konnte am Strand vor dem Fairmont Bab Al Bahr entspannen, Tischtennis gegen Trainer Thorsten Fink spielen (verloren), Beachvolleyball mit Fink spielen (ebenfalls verloren) und das Leben 4900 Kilometer entfernt von Hamburg zumindest ein wenig genießen. "Schade, dass der Urlaub schon wieder vorbei ist", sagt Jarchow lachend.

Tatsächlich war das Trainingslager des HSV in Abu Dhabi auch für Jarchow alles andere als eine Ferienreise. Der FDP-Politiker knüpfte wichtige Kontakte, traf sich am Dienstag wegen einer möglichen Kooperation mit dem Abu Dhabi Sports Council und pflegte am Mittwoch die Partnerschaft mit Sponsor Emirates im gut 150 Kilometer entfernten Nachbaremirat Dubai.

Die meiste Zeit nahm sich Jarchow im fernen Abu Dhabi aber für die Vorbereitung der Mitgliederversammlung am Sonntag im CCH. In Stichpunkten hat Jarchow eine zehnminütige Rede für die erwarteten 1500 Mitglieder vorbereitet, in der er den sportlichen Aufwärtstrend beschreibt, gleichzeitig aber die immer noch sehr kritische Finanzsituation nicht verschweigen will.

"Dem Verein geht es wirtschaftlich nicht gut", sagte Jarchow auf der sonnigen Terrasse des Mannschaftshotels. "Die Lage ist nach wie vor sehr ernst. Unsere Liquidität ist zwar gesichert, aber wir müssen auch etwas weiter als nur über die Saison hinaus schauen."

Gerade weil die finanzielle Situation derart angespannt ist, wird Jarchow die Wahl des Aufsichtsrats, mit dem er in der neuen Saison erstmals für eine ausgeglichene Bilanz sorgen will, mit großem Interesse verfolgen. Die Sorge, dass dem Kontrollgremium nach dem Ausscheiden der sogenannten Wirtschaftsweisen (Ian Karan, Alexander Otto und Jörg Debatin) die wirtschaftliche Expertise fehlen könnte, teilt er nicht: "Auch diesmal sind Kandidaten dabei, die große Wirtschaftskompetenz vorweisen können." Peter Meier ("ein sehr engagierter HSVer") sei so ein Kandidat, auch Cord Wöhlke ("vor zwei Jahren wurde er bei der letzten Wahl unfair behandelt") sei ein Fachmann.

Insgesamt sehe er der Wahl des neuen Kontrollgremiums, das auch einen neuen Vorsitzenden sucht, gelassen entgegen: "Die Wahl steht sehr viel weniger im Fokus als beim letzten Mal, als es eine Richtungswahl war. Das ist diesmal nicht der Fall."

Millionenschwere Kredite aufgenommen

Wie wichtig aber tatsächlich die Wahl des Aufsichtsrats auch für Jarchow ist, wird deutlich, als sich der Nachfolger von Bernd Hoffmann im fernen Abu Dhabi die Zeit nimmt, die finanziellen Belastungen der Zukunft im Detail durchzugehen. So hat der HSV aus der Not heraus gleich mehrere millionenschwere Kredite aufgenommen, die es eher früher als später abzubezahlen gilt.

2015, wenn der Vertrag mit dem Vermarkter Sportfive ausläuft, wird beispielsweise die Rückzahlung des Darlehens von 12,4 Millionen Euro fällig. Und obwohl diese Millionenzahlung eine günstige Verhandlungsbasis für die Vermarktungsagentur ist, bleibt es dabei, dass der HSV den Vertrag mit Sportfive nicht verlängern will. "Unser Bestreben ist, dass wir ab 2015 den Hauptteil der Vermarktung selbst übernehmen", sagt Jarchow, der daran erinnert, dass der Verein derzeit jede Saison einen zweistelligen Millionenbetrag an Sportfive zu überweisen habe. Eine Kündigung des Vertrags setze allerdings die Zustimmung des Aufsichtsrats voraus.

Positiv sei neben der Aufstockung des TV-Geldes von der kommenden Saison an, dass 2015 ein Großteil des Stadions, für das der HSV bis dahin immer noch jährlich neun Millionen Euro zahlen muss, abbezahlt sei. Kleinere Restbeträge müsse der Verein noch bis 2020 begleichen, da es das Bankenkonsortium (HSH Nordbank, Sparkasse und HypoVereinsbank) abgelehnt hatte, den Stadionkredit zu strecken.

Im Gegenzug erhielt der HSV im vergangenen Jahr ein weiteres Darlehen von den Banken über acht Millionen Euro, das aber genauso bis 2020 mit Zinsen zurückgezahlt werden muss. Anders als von vielen angenommen, muss der HSV auch für den Millionen-Kredit von Milliardär und Edelfan Klaus-Michael Kühne, der die Rückholaktion Rafael van der Vaarts ermöglichte, Zinsen zahlen.

Insgesamt acht Millionen Euro hat Kühne dem HSV für den 13,5-Millionen-Euro-Kraftakt geliehen, zwei Millionen Euro sind im kommenden Jahr fällig, die restlichen sechs Millionen Euro muss der Verein bis 2017 aufbringen. Zudem muss der Klub zwei Jahre später die 17,5 Millionen Euro für die HSV-Anleihe (mit sechs Prozent Zinsen) beglichen haben.

Größeres Minus in der Bilanz droht

"Wenn wir in diesem Jahr mit einem größeren Verlust abschließen, dann müssen wir im Sommer unbedingt weiter sparen", sagt Jarchow, der unter allen Umständen verhindern will, dass die finanziellen Belastungen der Zukunft ins Unermessliche steigen. Nach dem Minus von 6,607 Millionen Euro in der vergangenen Saison droht in dieser Spielzeit ein sogar noch größeres Minus in der Bilanz.

Umso ärgerlicher ist es, dass in der Gegenwart das selbst auferlegte Sparziel von 6,4 Millionen Euro, das der HSV durch Ablöse und eingesparte Gehälter bis zum 31. Januar erreichen will, durch den gescheiterten Transfer Gojko Kacars zu Hannover 96 in weite Ferne gerückt ist. "Ich habe wenig Verständnis dafür, dass ein Spieler ein solches Angebot von solch einem Verein, der in der Europa League spielt, ausschlägt", sagt Jarchow, nun müsse er eben auf die Expertise Frank Arnesens hoffen.

+++ Kommentar: Jetzt muss Arnesen liefern +++

Ein Was-wäre-wenn-Szenario, nach dem der HSV das eigene Sparziel nicht einhalten könnte, gebe es jedenfalls nicht. Aber der Verein sei durchaus auch bereit, "kreative Wege" zu beschreiten, um den Spielern aus finanziellen Gründen einen Vereinswechsel nahezulegen. Eine partielle Übernahme des Gehalts dürfte demnach kein Tabu mehr sein. "Wir freuen uns ja, dass sich die Spieler so wohlfühlen bei uns", sagt Jarchow mit süffisantem Unterton.

Wenn aber die Emirates-Maschine EK0061 am Donnerstag um 18.55 Uhr in Hamburg landet, so viel ist sicher, dann ist die Sommer-Sonne-gute-Laune-Zeit vorerst vorbei. Für die betreffenden Spieler. Und für Jarchow.