Die Verpflichtung von Bayer Leverkusens Coach ist fast perfekt, der Dreijahresvertrag unterschriftsreif. Sein Arbeitgeber signalisiert Bereitschaft zur Freigabe.

Hamburg. Das Poker geht in die entscheidende Runde, beide Parteien haben ihre Karten auf den Tisch gelegt. Allen offiziellen Verlautbarungen zum Trotz: Der Wechsel von Trainer Bruno Labbadia von Bayer Leverkusen zum HSV ist so gut wie perfekt. Der 43-Jährige erhält mit Beginn der kommenden Fußball-Bundesligasaison einen Dreijahresvertrag bei den Hamburgern. Offenbar ist der HSV bereit, dem Werksklub 800.000 Euro Entschädigung zu überweisen. Sollte Labbadia in Hamburg Erfolg haben, könnte sich die Ablösesumme sogar in den siebenstelligen Bereich auswachsen.

Am Sonntag hofft HSV-Chef Bernd Hoffmann den Nachfolger von Martin Jol bekannt geben zu können. Der Niederländer hatte vor zehn Tagen überraschend seinen Wechsel zu Ajax Amsterdam erklärt. Offenbar versuchte die Bayer-Führung bis zuletzt, ihren abwanderungswilligen Coach zu halten - vergeblich. Das Abendblatt erfuhr aus Bayer-Kreisen, dass Werner Wenning, Vorstandschef des Bayer-Konzerns, höchstpersönlich Labbadia regelrecht bekniet habe, seinen Vertrag doch zu erfüllen. Der ehemalige deutsche Nationalspieler hätte sogar seine Macht deutlich ausbauen können. Auch das "Modell Felix Magath" - also ein Trainerjob mit Management-Kompetenz - soll zur Debatte gestanden haben.


Dabei hatte es nach dem 0:1 Leverkusens im Pokalfinale am Sonnabend noch so ausgesehen, als sei ein Rauswurf des Trainers nur eine Frage der Zeit. Denn ausgerechnet am Tag des Endspiels hatte Labbadia den Manager seines Arbeitgebers, Michael Reschke, massiv attackiert: "Fakt ist, dass wir eigentlich von Anfang an keine gemeinsame Arbeitsebene fanden." Fehlende Rückendeckung habe die Arbeit mit der Mannschaft erschwert: "Zu oft verlangt man aber in Leverkusen, den Spielern Dinge zuzugestehen, damit sie sich wohlfühlen."

Während Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser und Bayer-Sportdirektor Rudi Völler diese Worte als ungehörig empfanden, stieß die Kritik des Übungsleiters in der Konzern-Chefetage durchaus auf Sympathien. Schließlich beobachtet man dort seit Langem mit Sorge, dass die Trainer bei Bayer regelmäßig im Jahrestakt ausgetauscht werden. Entsprechend intensiv warb vor allem Werner Wenning um einen Verbleib Labbadias.

Holzhäuser mochte denn auch einen Wechsel Labbadias nicht bestätigen und reagierte am Freitagmorgen noch betont irritiert. „Ich bin sehr verärgert über die Berichterstattung. Ich kann zwar bestätigen, dass der HSV Kontakt zu uns aufgenommen hat. Ich habe allerdings den Hamburgern deutlich erklärt, dass Herr Labbadia noch ein Jahr Vertrag bei uns hat und ich bitte, dies zu respektieren“, sagte der Bayer-Geschäftsführer. Eine Vereinbarung mit dem HSV über eine Ablöse von 1,3 Millionen Euro bestritt Holzhäuser vehement. Es sei an der Zeit, ein Exempel zu statuieren. Holzhäuser: „Ich kann ihn zwar nicht zwingen, aber ich kann verhindern, dass er woanders arbeitet. Dieses Job-Hopping muss aufhören.“

Am Ende waren die Leverkusener Bemühungen vergebens. Zu groß war Labbadias mühsam auf kleiner Flamme gehaltener Streit mit der Mannschaft, die seine straffe Art der Teamführung ablehnte - bei einer Umfrage im Team sollen sich nur vier Spieler für eine weitere Zusammenarbeit ausgesprochen haben, 20 dagegen. Zudem sieht Labbadia beim HSV große Entwicklungschancen. Bei Bayer hingegen wird schon Herthas Lucien Favre als Nachfolger gehandelt.


Was kommt jetzt auf die HSV-Profis zu? Labbadia steht für Offensivfußball - in der Hinrunde wurde der Fußball Marke Bayer als vorbildlich gefeiert. In Sachen Disziplin kennt Labbadia, so heißt es bei Bayer, indes keine Kompromisse - was zu schweren Konflikten mit dem Team führte und wohl auch zum Absturz in der Rückrunde auf Rang neun.


Doch genau diese harte Gangart war wohl letztlich der Grund, dass Labbadia beim HSV immer als Wunschkandidat Nummer eins für die Jol-Nachfolge galt. Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann hatte intern wiederholt die mangelnde Leidenschaft seiner Profis in der Endphase der Saison kritisiert, die fehlende Fokussierung auf das ganz große Ziel, endlich einen Titel nach Hamburg zu holen.


Genau für diese Leidenschaft soll jetzt Labbadia sorgen. Denn der, so heißt es beim HSV, "denke 24 Stunden nur an Fußball". Imponiert hat der HSV-Führung wohl auch der Karriereweg Labbadias. Im Gegensatz zum Sommermärchen-Macher Jürgen Klinsmann wählte Labbadia die Ochsentour. Vier Jahre trainierte er den SV Darmstadt 98, kam dann über den Zweitliga-Klub Greuther Fürth zu Bayer Leverkusen.


Jetzt wird ihn sein Weg im zweiten Anlauf zurück zum HSV führen. Zu dem Klub, für den er schon 1987 bis 1989 stürmte. Schließlich wäre Labbadia schon 2008 beinahe in Hamburg gelandet. Der Hesse war in der engeren Auswahl, als es um die Nachfolge von Huub Stevens ging, und machte bei seinem "Vorstellungsgespräch" einen ausgezeichneten Eindruck.