Vor 20 Jahren starb der österreichische Trainer Ernst Happel, mit dem der HSV seine größten Erfolge feiern konnte. Eine Erinnerung

Er war der legendärste Trainer, den der HSV jemals gehabt hat. Ihn verehren sie nicht nur in Hamburg, sondern auf der ganzen Welt, aber an der Elbe werden sie ihn immer lieben und niemals vergessen. Vor 20 Jahren, am 14. November 1992, starb der große Ernst Happel im Alter von nur 67 Jahren in Wien. Ein schweres Krebsleiden hatte den damals weltbesten Trainer, der in den Niederlanden, Belgien, Spanien, Deutschland und Österreich insgesamt 18 Titel gewann, viel zu früh besiegt. "Ich möchte mindestens 75 Jahre alt werden, wenn es geht, auch gerne 100 - dann hätte ich 150 Jahre gelebt", hatte Happel einmal gesagt. Es war dem gebürtigen Wiener, der das Leben in vollen Zügen genoss, nicht vergönnt.

Vom ersten bis zum letzten Tag beim HSV habe ich Ernst Happel als HSV-Reporter begleitet. Nie wieder hat es einen so großen Medien-Auflauf um einen HSV-Trainer gegeben als in jenem Sommer 1981. Die Kamerateams drängelten und schubsten, um auf dem HSV-Gelände in Ochsenzoll die besten Aufnahmen des Österreichers zu bekommen. Happel blieb bei alldem die Ruhe selbst. Er lächelte nicht, er sagte kaum ein Wort, er bot den Medienvertretern erst recht keine schauspielerischen Einlagen. Ernst Happel verbog sich nicht, er ging an die Arbeit.

Der Grantler aus Wien. Diesen Namen haben sie ihm schnell verpasst. Nur weil er ein wortkarger Mann war. Granteln kommt von grantig, von mürrisch, übel gelaunt, ärgerlich, unmutig. Auf Ernst Happel, wie ich ihn kennengelernt habe, traf das alles nicht zu. Er war ein Mann, der durchaus Humor hatte, der sehr wohl lachen konnte. Und der eines auf keinen Fall war: böse. Und auch nie bösartig. Happel war stets geradeaus und ehrlich. Der "Wödmasta", wie er in der Heimat auch genannt wurde, hatte aber eine Fähigkeit, die kein anderer besaß: Wenn andere Leute fünf, sechs langatmige Sätze brauchten, um etwas zu erklären, so brachte es Ernst Happel in drei, vier Wörtern auf den Punkt. Und damit wusste ein jeder, woran er bei ihm war.

"Schleich di", herrschte der Trainer gelegentlich einen Spieler an, ohne dass er dabei jemals laut wurde. Oder: "Haut's eich in Schnee." Jeder wusste, was gemeint war. Und: "Wenn's reden wollen, müssen's Staubsaugervertreter werden - ich brauch nur Fußballer." Jedes Wort ein Treffer. Und alle parierten, Widerworte gab es nie. Happels Motto: "Sprech ich zu wenig, hab ich zu viel gesagt. Sprech ich zu viel, krieg ich das Zehnfache zurück. Das hab ich nicht notwendig. Ich bin nicht auf Sensationen aufgebaut."

Ein Tag ohne Fußball, so hat er einst gesagt, ist ein verlorener Tag. Er hat danach gelebt. Und er genoss das Kartenspielen. In jeder freien Minute. Zeugwart Emil Tomescheit, Co-Trainer Aleksandar Ristic und Manager Günter Netzer waren fast täglich seine Mitspieler. Dem zweiten HSV-Zeugwart, dem Wiener Rudi Gutmann, gab Ernst Happel einst wöchentlich mit auf dem Weg: "G'stauchter, du kommst nie in'n Himmel, weil's kein Kartenspieler bist."

In seinem letzten halben Jahr beim HSV sprach Ernst Happel kein Wort mehr mit der Presse. Weil er seine Privatsphäre verletzt sah. Dennoch blieb Happel umgänglich. Bei einem Hallenturnier im Januar 1987 wohnte ich im Hotel Chateau Gütsch Zimmer an Zimmer mit dem Coach. Wenn wir uns zufällig auf dem Flur trafen, unterhielt er sich stets freundlich und vertrauensvoll mit mir. So habe ich ihn in Erinnerung behalten. Ein großer Trainer, ein ganz feiner Mensch.