Der Aufsichtsratschef des Hamburger SV spricht im Interview über die Finanzen des Klubs und die Zukunft von Sportchef Arnesen.

Hamburg. Stolz präsentierte der Aufsichtsratsvorsitzende Alexander Otto, 45, mit dem Vereinsvorsitzenden Carl Jarchow das Modell des HSV-Campus. Ab Mitte 2013 soll mit dem Bau des neuen Nachwuchs-Leistungszentrums begonnen werden. Die Planungskosten hat der ECE-Chef dem Klub spendiert. Zukunftsmusik. Aber auch die Gegenwart sieht Otto positiv.

Hamburger Abendblatt: Herr Otto, wo steht der HSV derzeit für Sie ?

Alexander Otto: Es ist verständlich, dass die Kritik nach einem misslungenen Saisonstart groß ist und viele Fragen kommen, warum es sportlich keine Verbesserung gibt. Wichtig ist, einen kühlen Kopf zu bewahren und nüchtern zu analysieren, wo Verbesserungen nötig sind - ohne zu übersehen, was gut gelaufen ist. Wir haben gute Transfers getätigt und können jetzt einen schlagkräftigen Kader aufbieten. Ich schaue zuversichtlich in die Zukunft, baue auf einen Motivationsschub.

Um die sportlichen Baustellen zu beheben, musste der Klub aber den Kurs der Entschuldung verlassen.

Otto: Selbstverständlich haben wir uns sehr intensiv mit den Finanzen beschäftigt. Dabei war unsere Maßgabe, dass wir nur Verpflichtungen eingehen, die wir uns auch leisten können. Bei der Verpflichtung von Rafael van der Vaart waren wir ganz klar auf die Unterstützung von Herrn Kühne angewiesen. Für sein finanzielles Engagement sind wir ihm daher dankbar.

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Der Verein hat über 20 Millionen Euro investiert. Wären Sie solch ein Risiko auch bei ECE eingegangen?

Otto: Sicherlich, weil wir ähnlich wie der HSV eine geringe Verschuldung haben. Um in die Zukunft zu investieren, kann es erforderlich sein, kalkulierte Risiken einzugehen. Nachdem wir beim HSV über viele Jahre kräftig Schulden abgebaut haben, war es nun sinnvoll, in die Zukunft zu investieren. Nur so besteht wieder die Möglichkeit, Mehreinnahmen zu generieren. Aufgrund der relativ überschaubaren Gesamtverschuldung des HSV ist das vertretbar.

Und was passiert, wenn der HSV doch absteigt? Droht dann die Insolvenz?

Otto: Zu dieser Sorge besteht aktuell kein Anlass. Aber es ist richtig, dass wir uns letzte Saison mit diesem "Worst-Case-Szenario" beschäftigen mussten. Aber auch dafür gab es einen Plan B, ohne dass der Verein hätte in die Insolvenz gehen müssen.

Was sagen Sie den Kritikern, dass der HSV zu teuer eingekauft hat? Van der Vaart hat 2005 5,5 Millionen Euro gekostet, jetzt 13 Millionen.

Otto: Insbesondere auf dieser Position hatten wir Bedarf. Die sportliche Leitung sieht eine ganz besondere Chance. Er ist ein kompletter Führungsspieler und hat viele Qualitäten, gerade in der Vorbereitung und im Torabschluss, die uns noch fehlen. Zudem kennt er den Verein, die Stadt und spricht hervorragend Deutsch. Dazu kommt seine vorbildliche Charaktereinstellung. Es stimmt, es war eine beachtliche Investition, die letztlich aber den heutigen Marktwert reflektiert. Mit seinen 29 Jahren verfügt er inzwischen über große internationale Erfahrung.

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Früher hat man Spieler teuer verkauft und versucht, junge, günstige Nachfolger zu finden. Vermissen Sie nicht auch diese Strategie und überhaupt eine Konzeption der sportlichen Leitung, wie die Mannschaft aufgebaut werden soll?

Otto: Die Struktur ist erkennbar. Ich gebe Ihnen aber auch recht, dass neben der Achse an erfahrenen Spielern, die wir brauchen, auch Zukunftstalente aufgebaut werden müssen. Alle sind sich einig, dass der Nachwuchs eine wesentliche Komponente sein muss. Das ist ja auch der Grund, weshalb wir im Volkspark den HSV-Campus mit dem Internat bauen und die Nachwuchsarbeit hier zentralisieren. Künftig müssen mehr eigene Nachwuchsspieler in den Profikader nachrücken. Ein Calhanoglu passt sehr gut in diese Philosophie. Gleichzeitig muss es das Ziel sein, gute Spieler auch längerfristig zu halten.

Stark im Fokus der Kritik war zuletzt Frank Arnesen. Wie angegriffen ist er?

Otto: Sicher waren die vergangenen Wochen unangenehm für ihn. Während eines sportlichen Tiefs muss sich ein Sportchef auch Kritik gefallen lassen. Aber er ist ein positiv denkender Mensch, der immer in die Zukunft schaut und die nächsten Schritte plant. Er hat die Erfahrung, um das zu überstehen. Wir haben vollstes Vertrauen, dass er das meistert.

Ist es denn auch ein normaler Vorgang für Sie, dass es Dissonanzen zwischen dem Sportchef und Trainer sowie innerhalb des Vorstands gibt?

Otto: So was wird auch immer etwas übertrieben dargestellt, man darf das nicht überinterpretieren. Gerade während einer Transferperiode geht es öfter hektisch zu. Da gibt es auch mal unterschiedliche Sichtweisen. Trotzdem arbeiten der Vorstand und der Trainer gut und vertrauensvoll zusammen.

Dejan Joksimovic, der Spielerberater Milan Badeljs, hat Arnesen hart kritisiert. Musste der Aufsichtsrat dem so hart nachgehen? Sie haben alle 27 Transfers untersuchen lassen.

Otto: Meine Erfahrungen zeigen, dass es wichtig ist, im Raum stehende Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. Man muss sich sehr zügig und tiefgehend damit auseinandersetzen und sie aufklären. Das ist auch im Interesse des betreffenden Mitarbeiters. Schließlich ist es die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats, die Arbeit des Vorstands eingehend zu kontrollieren.