Tottenham fordert nun vom HSV 18 Millionen Euro für den Niederländer. Die Kritik an Sportchef Arnesen wächst - auch unter Vorstandskollegen.

Hamburg. Als Frank Arnesen im Auto am Dienstagvormittag das erste Mal seinen Parkplatz vor dem Stadion verließ, schien die Welt des Sportchefs im Großen und Ganzen noch in Ordnung. Der Transfer Petr Jiraceks aus Wolfsburg war endlich unter Dach und Fach, eine Last-Minute-Verpflichtung Rafael van der Vaarts schien weiterhin wahrscheinlich und selbst die für 18 Uhr einberufene Aufsichtsratssitzung bereitete dem 55-Jährigen keine wirklichen Kopfschmerzen. Als aber Arnesen denselben Parkplatz am späten Abend ein zweites Mal verließ, war von der Hochstimmung des Morgens kaum noch etwas übrig. Ganz im Gegenteil.

So wurde dem zuletzt immer heftiger in die Kritik geratenen Skandinavier in der Hamburger-Weg-Loge sehr deutlich das Missfallen über dessen Transferpolitik mitgeteilt. Hinter verschlossenen Türen sollen sich sogar mehrere Kontrolleure für eine sofortige Trennung ausgesprochen haben, die Mehrheit der Aufsichtsräte soll aber für eine unaufgeregte Bestandsaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt plädiert haben. Dabei soll auch die Arbeit von Trainer Thorsten Fink, Vorstandschef Carl Jarchow und des eigenen Gremiums kritisch analysiert werden. "Es gibt überhaupt keinen Anlass, über Arnesen nachzudenken. Wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er hat bewiesen, dass er Teams zusammenstellen kann", sprang Aufsichtsratschef Alexander Otto dem Sportchef am Dienstag verbal zur Seite. Allerdings nimmt nach Abendblatt-Informationen selbst unter Arnesens Vorstandskollegen die Kritik am zweiten Vorsitzenden deutlich zu. Der Hauptvorwurf: Aufwand und Ertrag würden bei Arnesen nicht im Einklang stehen. So habe der Däne, der mit knapp 1,8 Millionen Euro so gut wie kein HSV-Vorstand jemals zuvor bezahlt wird, zweimal in Folge einen Kader ohne erkennbare Strategie zusammengestellt.

Es darf als Ironie der Geschichte bezeichnet werden, dass nun ausgerechnet der angestrebte Transfer van der Vaarts, der gar nicht von Arnesen bearbeitet wird, dem früheren Chelsea-Manager eine Atempause beschert. Zur Erinnerung: Daniel Levy, Präsident von van der Vaarts Klub Tottenham Hotspur, und Arnesen wird ein sehr schwieriges Verhältnis nachgesagt, weshalb Hamburgs Sportchef an den täglichen Verhandlungen nicht beteiligt ist. Die Mehrheit der Kontrolleure ist sich aber einig, dass man sich mit Arnesens Vergangenheit und vor allem Zukunft frühestens nach der am Freitag endenden Transferperiode beschäftigen sollte. Bis dahin ist und bleibt die geplante Rückholaktion van der Vaarts das vorrangige Thema der Verantwortlichen.

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Dabei gestalten sich die Verhandlungen mit dem als exzentrisch geltenden Hotspur-Chef Levy weiterhin als äußerst kompliziert. Nachdem Tottenhams vermögender Chairman mitbekommen hat, dass der HSV bei dem geplanten Geschäft durch Milliardär Klaus-Michael Kühne finanziell unterstützt werden würde, schraubte er die Ablöseforderung von ursprünglich zwölf Millionen Euro auf nun astronomische 18 Millionen Euro hoch - eine Summe also, die Dortmund in etwa für Marco Reus ausgegeben hat. Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass Tottenhams Trainer André Villas-Boas dem früheren Hamburger, der beim HSV auf einen Teil seines Gehalts verzichten würde, mitgeteilt hat, einem Wechsel nicht im Wege zu stehen. Mit Hoffenheims Gylfi Sigurosson wurde bereits ein Nachfolger verpflichtet, zudem bemüht sich der Premier-League-Klub um Fulhams Moussa Dembélé.

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In Hamburg hofft man nun, dass Levy in dem Ablösepoker lediglich blufft. Trotz der nicht zu stemmenden Millionenforderung will der HSV-Vorstand die Bemühungen um eine Verpflichtung van der Vaarts bis zum Ende der Transferfrist am Freitag um 18 Uhr nicht aufgeben. Möglich ist dieser Kampf ohnehin nur, weil Investor Kühne nach Abendblatt-Informationen nun zugesagt hat, sowohl einen erheblichen Anteil von van der Vaarts Gehalt als auch den Großteil der Ablöse zu zahlen. Mehr als insgesamt zwölf Millionen Euro wollen Kühne und der HSV für den 29-jährigen Mittelfeldregisseur aber nicht bieten, die Gespräche sollen heute fortgesetzt und aufgrund der komplizierten Gemengelage mit mehreren Vertragspartnern spätestens morgen, also schon einen Tag vor dem Ende der Frist, beendet werden.

Geht der van-der-Vaart-Deal trotz aller Bemühungen schief, dürfte erneut die Kritik an Arnesen in den Fokus rücken. Der Grund: Die Bemühungen des Sportchefs, für einen Plan B als van-der-Vaart-Alternative zu sorgen, scheinen sich gestern zerschlagen zu haben. So wollte sich der Ersatzkandidat, den der Skandinavier vorgesehen hatte, nicht länger hinhalten lassen. Arnesen selbst wollte sich gestern im Übrigen nicht äußern. "Wir können am Freitag um 19 Uhr über alles reden", sagte der Sportchef, "dann ist meine Arbeit getan."