Der HSV muss sich vor dem ersten DFB-Pokalspiel der Saison am Sonntag gegen den Karlsruher SC Sorgen machen. Das erinnert an 1974.

Hamburg. Auf diese grottenschlechte erste Halbzeit, die der HSV in seiner Generalprobe beim Oberligaklub Altona 93 ablieferte, hätten wohl nicht mal Waldorf und Statler eine passende Antwort gehabt. Und diese beiden auf dem Balkon sitzenden freundlich-sarkastischen Senioren aus der Muppet-Show haben in all ihren Jahren noch nie geschwiegen und an nichts und niemandem ein gutes Haar gelassen. Hätten sie aber die Altonaer Peinlichkeit mitansehen müssen, wären sie wohl wortlos geblieben und hätten nur mit den Köpfen geschüttelt. Fußball ist ja nicht nur Sport, es ist auch Spaß, Unterhaltung und Show, aber die Darbietungen des HSV in Altona waren von allem nichts, deswegen wäre sogar Waldorf und Statler der übliche Spott im Halse stecken geblieben.

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Ein paar Tage vor dem ersten DFB-Pokalspiel der Saison, am Sonntag beim Karlsruher SC, muss sich der HSV-Anhang nach diesem müden Auftritt Sorgen machen. Und er sorgt sich tatsächlich. Mein Hörfunk-Kollege Lars Pegelow (NDR 90,3) erhielt bei einer Halbzeit-Umfrage in Altona fast stereotyp die gleiche Antwort zum HSV: "So schlimm war es noch nie."

Noch nie? Da möchte ich doch mal an den DFB-Pokal erinnern. Da spielten einstmals viel bessere HSV-Mannschaften gegen viel schlechtere Teams, als es nun der Fünftliga-Vertreter Altona 93 war. Solcherlei Negativ-Auftritte sind mit zwei Paradebeispielen wunderbar zu belegen. Am 26. Oktober 1974 bemühten sich die HSV-Herren Kargus, Kaltz, Krobbach, Hidien, Björnmose, Memering, Eigl, Mackensen, Sperlich, Reimann und Volkert vergeblich um den Einzug in Runde zwei. Beim Dorfklub VfB Eppingen verlor der von Kuno Klötzer trainierte HSV mit 1:2. Und dann war da noch Geislingen. Am 1. September 1984 unterlag der ehemalige Europapokalsieger, den Trainer Ernst Happel in der Besetzung Stein, Kaltz, Jakobs, Schröder, Rolff, Groh, Magath, von Heesen, Milewski, Wuttke und McGhee auf den Rasen geschickt hatte, den Amateuren mit 0:2 - und ganz Deutschland lachte über den HSV.

Deswegen wäre jetzt auch ein Aus beim Drittliga-15. KSC keine besondere Überraschung. Die Fußball-Welt ist ja nun durch den Auftritt in Altona vorgewarnt. Sogar im Video-Text der ARD stand diese Fußball-Meldung lange auf Platz eins: "Der HSV dreht das Spiel gegen Altona." Wenn das nichts ist! Dass der HSV ein 0:2 gegen einen Oberliga-Klub aufholt und noch 5:3 gewinnt - alle Achtung.

Und in Karlsruhe kann man durchaus im Pokal mal verlieren. Das hat der 31. Oktober 2000 gezeigt, als HSV-Trainer Frank Pagelsdorf eine B-Elf ins Achtelfinale schickte. Gefehlt hatten seinerzeit bei der 0:1-Niederlage diese 13 Könner: Panadic, Hertzsch, Töfting, Fukal, Groth, Ujfalusi, Hollerbach, Heinz, Kovac, Meijer, Mahadvikia, Barbarez und Yeboah. Hochmut kommt eben vor dem Fall.

Deshalb wird sich der heutige HSV-Coach Thorsten Fink hüten, am Sonntag nur seinen zweiten Anzug in Karlsruhe zu präsentieren. Der HSV kann es sich nämlich nicht erlauben, auf die dann noch folgenden Pokaleinnahmen zu verzichten. Und weil es, ganz nebenbei, ja auch der leichteste Weg ins fußballerische Europa wäre. Ein paar Siege nur, und schon würde der HSV wieder international spielen. Aber das sind natürlich nur Träume, angesichts des Auftritts in Altona völlig unrealistisch.

Übrigens: Auf der Tribüne der Adolf-Jäger-Kampfbahn saßen am Dienstagabend in der Tat zwei nette ältere Herren, etwa Mitte 70, vor mir. Sie trugen Polo-Shirts in den HSV-Farben. Und bei jedem Querschläger, bei jedem Fehlpass oder immer dann, wenn ein HSV-Profi statt des Balls den Wind mit Füßen traktierte, sahen sich die Herren schweigend an und schüttelten den Kopf. Das, könnte ich mir vorstellen, hätten wahrscheinlich auch Waldorf und Statler getan. Es sei denn, die Lästermäuler hätten später am Abend doch noch etwas gefunden, um dieses Spiel spöttisch abzurunden. "Diese wieselflinken Altonaer waren richtig klasse", sagt Statler, um dann noch anzufügen: "Und der HSV kommt jetzt in den Europapokal." Daraufhin Waldorf: "Stimmt. Fragt sich nur, in welcher Sportart. Hä, hä, hä!"

Nicht vergessen: Am Wochenende ist DFB-Pokal. Früher sang man: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin." Und heute?

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab