Artjoms Rudnevs, HSV-Neuzugang aus Lettland, überzeugt nicht nur bei der Tour in die Berge. HSV verliert zwei Talente-Sichter.

Finkenberg. In seinem körperbetont geschnittenen, roten Rennfahrertrikot wäre Artjoms Rudnevs glatt als vom Weg abgekommener Tour-de-France-Teilnehmer durchgegangen. Die Etappe, die der HSV-Profi dann mit der ganzen Mannschaft zurückzulegen hatte, war dann doch im Vergleich eher harmlos. Von der Talstation Hintertuxer Gletscher startend mussten die Spieler mit ihren Mountainbikes auf einer knapp zehn Kilometer langen Schotterpiste 500 Höhenmeter bis auf 2000 Meter Höhe bis zur Mittelstation zurücklegen. Nach 50 Minuten als Erster ins Ziel kam Heiko Westermann, Rudnevs landete im Feld. Immerhin, einen Gipfel haben die HSV-Profis in dieser Saison schon gestürmt.

Am Vortag hatte sich der Stürmer in einer weniger sportlichen Disziplin üben müssen: dem Singen. Wie alle anderen Neuankömmlinge musste der Lette beim Mannschaftsgrillabend auf einer Wiese des Sporthotels Stock mindestens eine Strophe eines Liedes seiner Wahl zum Besten geben. Während René Adler ("Dich zu lieben" von Roland Kaiser) für Lacher sorgte, Christian Nörgaard mit seiner Darbietung des Kinderliedes "Peter Jacob" knapp an einer Geldstrafe durch Frank Arnesen vorbeischrammte und Maximilian Beister ("Someone like you" von Adele) echte Popstar-Qualitäten bewies, wählte Rudnevs die lettische Hymne, die er mit der Hand auf der Brust schmetterte.

+++ Slobodan Rajkovic reiste dem Team nach +++

Dass der 24-Jährige damit keinen Preis gewinnen konnte, störte ihn nicht weiter. Das Einzige, was den Nachfolger von Mladen Petric interessiert, sind sowieso Tore. Für seinen früheren Klub Lech Posen waren es in 72 Spielen 45 Treffer. Eine Torquote, die verpflichtet, das weiß auch Rudnevs. "Meine Motivation ist es, in jedem Training, in jedem Test und in jedem Pflichtspiel zu treffen", sagt er, "aber ich setze mir nie eine Marke an Saisontoren, die ich erzielen möchte, das behalte ich für mich."

Arnesen hat den ersten Letten beim HSV schon seit drei Jahren auf dem Zettel, als er bei seiner ersten Auslandsstation in Ungarn für Zalaegerszeg spielte und auch dort auf Anhieb Tore erzielte. Der Sportchef kennt den ehrgeizigen Gedanken des Angreifers genau und bat ihn deshalb auch schon zum Vieraugengespräch auf die Hotelterrasse. "Ich habe ihm gesagt, er soll ruhig bleiben und nicht nur ans Toreschießen denken", so Arnesen. "Er muss die kommenden sechs, acht Wochen dazu nutzen, sich wohl zu fühlen, in Form zu kommen, darf sich nicht unter Druck setzen."

Das scheint ganz gut zu gelingen. Auffällig in Österreich ist, wie gut sich der 1,83 Meter große Rudnevs besonders mit Heung-Min Son und Tolgay Arslan versteht. Eine Einschätzung die Letztgenannter auch sofort bestätigt: "Ich habe mich schon am ersten Tag super mit ihm verstanden, das sieht man auch auf dem Platz", sagt Arslan. "Er macht gute Wege, läuft in die Schnittstellen, wenn der Gegner nicht damit rechnet. Er ist ein anderer Spielertyp als Paolo Guerrero oder Mladen Petric. Die beiden sind fußballerisch besser, während Rudi mehr über den Kampf kommt. Aber genau das brauchen wir. Rudi ist eine Kampfmaschine."

Eine Maschine, der allerdings die Strapazen der ersten Einheiten deutlich anzumerken sind. "Die Vorbereitung ist intensiver und härter als in Polen", gibt Rudnevs zu, dessen Zimmerkollege im Zillertal nicht ganz zufällig Jeffrey Bruma ist. Mit dessen älterem Bruder Marciano, wie Jeffrey ein Verteidiger, spielte er zusammen in Posen.

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für den Stürmer, den sich der HSV immerhin 3,5 Millionen Euro Ablöse kosten ließ: Einer wie er, der nach der Beschreibung Arnesens in seinem Spielstil Dauerarbeiter Ivica Olic ähnelt, hat das Zeug zum Publikumsliebling, zu einer Art - Achtung, Kalauer - "Lettin Lover" der Fans. Die mitgereisten HSV-Anhänger hatten jedenfalls sichtlich Spaß, die Tore Rudnevs gegen eine Zillertal-Auswahl in Anlehnung an die Anfeuerungen für den früheren Torjäger Rudi Völler mit lang gezogenen "Ruuudi"-Rufen zu feiern. Dass die Basis allerdings vorerst keine Wunderdinge erwarten sollte, zeigt ein Blick auf seine Bilanz in der Nationalmannschaft Lettlands, wo Rudnevs in 18 Einsätzen bisher nur auf einen Treffer während der EM-Qualifikation beim 2:0 gegen Malta kam. In seiner Heimat genießt der Stürmer ("Manche mögen mich, manche nicht") deshalb noch längst keinen Superstarstatus.

In Grenzen halten sich auch noch Rudnevs Deutschkenntnisse. Noch. Am trainingsfreien Donnerstag hat der Torjäger seinen ersten Termin zum Sprachunterricht festgelegt. Beim Wiederholen der Übungen muss er allerdings vorerst auf die Unterstützung seiner Frau Santa verzichten, die mit der einjährigen Tochter Arina erst in einigen Wochen aus Lettland nachreist.

HSV verliert zwei Talente-Sichter an Manchester City

Der HSV hat zwei Mitglieder seiner Scouting-Abteilung verloren. Sebastian Arnesen, Sohn des Sportchefs Frank Arnesen, und der Tscheche Jan Ricka wechseln zum englischen Meister Manchester City. Das bestätigte Arnesen senior. Sein Sohn war beim HSV für die Sichtung in den Niederlanden und Belgien zuständig, Ricka beobachtete die tschechischen Vereine.

+++Manchester City verpflichtet Arnesens Sohn als Scout+++

Ursprünglich sollten beide zumindest bis 2014 beim HSV tätig sein. Wegen der beschränkten finanziellen Mittel konnten sie ihre Vorstellungen jedoch nicht umsetzen. Die Stellen sollen neu besetzt werden

Mit Material von dpa