Fußballprofi Gökhan Töre ist in Köln geboren, spielt aber für die Türkei - gegen Deutschland.In seiner Brust schlagen zwei Seelen.

Hamburg. Gökhan Töre, kurz geraspelte Haare, eine markante Narbe auf der Stirn, blitzende Augen, ist Fußballprofi. Er hat einen linken Fuß wie ein Vorschlaghammer und einen rechten Fuß zumindest wie ein Hämmerchen. Wirklich beeindruckend sind aber nicht Töres Füße, sondern die anatomischen Einzelteile des Restkörpers, der sich auf 1,76 Meter quadratisch, praktisch, gut verteilt. Besonders das Kreuz ist von beachtlicher Dimension, die Brust nicht erst seit dem gelungenen Auftritt in Stuttgart breit. "Früher habe ich ab und zu ein paar Liegestütze gemacht, mehr aber nicht", antwortet der Jungbulle mit dem Stiernacken auf die Frage, wie viele Stunden er täglich im Kraftraum verbringt. "Ich habe eben eine günstige Körperkonstitution."

Dass in einer so breiten Brust gleich zwei Seelen schlagen, dürfte eigentlich niemanden ernsthaft überraschen. "Ich fühle mich als Türke", sagt der in Köln geborene Nationalspieler, "aber Deutschland ist meine Heimat." Mit dieser Einstellung ist Töre in der türkischen Nationalmannschaft längst nicht alleine (siehe Infokasten), das Länderspiel zwischen der Türkei und Deutschland in der nächsten Woche in Istanbul ist aber auch für ihn etwas Besonderes. "Ich kann das Spiel gar nicht erwarten", sagt der Neu-Hamburger, der für Freunde und Familie mehr als 40 Kartenwünsche zu erfüllen hat. Von Deutschland habe er nie eine Einladung für die Nationalmannschaft erhalten, da fiel ihm die Entscheidung für das Land seiner Eltern leicht: "Ich bin stolz, für die Türkei zu spielen." Eine offizielle Nominierung für das Länderspiel gegen Deutschland hat Töre zwar noch nicht, dass er dabei sein wird, weiß er aber ganz sicher: "Nationaltrainer Guus Hiddink hat mich angerufen und mir Bescheid gegeben. Er mag meine Art, Fußball zu spielen."

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Töres Nominierung, da ist man sich in Hamburg einig, ist verdient. Der beherzte Auftritt des Flügelstürmers beim 2:1-Sieg in Stuttgart war nur der Höhepunkt von einer ganzen Reihe von vielversprechenden Ansätzen. "Gökhan war in Stuttgart einer der Besten. Es war genau die richtige Entscheidung, ihn aufzustellen", lobte Interimstrainer Rodolfo Cardoso, der den bulligen Mittelfeldmann auch gegen Schalke von Anfang an spielen lassen will. Lediglich Entdecker Frank Arnesen, der das zuweilen schlampige Talent zunächst aus Leverkusens A-Jugend zum FC Chelsea holte und es dann im vergangenen Sommer zum Nulltarif nach Hamburg lotste, bremst ein wenig die Euphorie. Man sollte jetzt nicht in jedem Spiel Wundertaten erwarten, der Junge sei schließlich erst 19 Jahre alt.

Töre selbst lässt sich dagegen nicht gerne bremsen, weder auf noch abseits des Platzes. Sein Vorbild? Lionel Messi. Sein Ziel? Die Champions League. Sein Traum? Die Europameisterschaft. "Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit der Türkei bei der EM zu spielen. Mein Opa wäre dann stolz auf mich."

Opa Sabry ist, mal abgesehen von Messi, das eigentliche Vorbild Töres. Den Namen des vor sieben Jahren verstorbenen Großvaters hat sich der Deutschtürke in geschwungenen Buchstaben auf den linken Unterarm tätowieren lassen. "Ich habe meinem Opa alles zu verdanken." Wenn Töre über Opa Sabry, der aus der Küstenstadt Samsun nach Köln emigriert war, redet, dann schrumpft die imposante Gestalt schnell auf die Größe eines normalen Teenagers zusammen. "Er hat mich immer zum Training gebracht. Ihm musste ich versprechen, Profi zu werden."

Deniz Naki hatte nie Zweifel, dass Töre sein Versprechen nicht wahr machen würde. "Gökhan ist ein richtiger Straßenfußballer. So einen wie ihn wollen die Leute im Stadion sehen", sagt der Mittelfeldspieler vom FC St. Pauli, der seit Jahren eng befreundet mit Töre ist. "Wir haben uns in der B-Jugend von Bayer Leverkusen kennengelernt und nie den Kontakt verloren", sagt Naki, der sich im Gegensatz zu Töre für die deutschen Auswahlmannschaften entschieden hat. "Gökhan ist ein positiv verrückter Junge", sagt der in Düren geborene Deutschtürke, auf den eine ähnliche Beschreibung passen würde.

Dabei ist Naki nur einer von mehreren Gründen, warum sich Töre so schnell in Hamburg eingelebt hat. Mit der Mannschaft verstehe er sich gut, die Stadt gefalle ihm, sagt Töre, der für das reibungslose Einleben aber vor allem zwei Gründe anführt: Rabii und Cano. Rabii ist der beste Kumpel Töres, mit dem er sich eine Wohnung an der Elbchaussee teilt. "Er ist wie ein Bruder für mich", sagt Töre, der auch schon zu seiner Zeit bei Chelsea in London von Rabii begleitet wurde. Und Cano? "Das ist mein Hund." Ein sieben Monate alter American-Staffordshire-Terrier, ein sogenannter Kampfhund. "Er ist aber ganz lieb, beißt nicht", versichert Töre, der zumindest optisch bestens zu seinem Vierbeiner passt.

"Der Kopf ist groß, keilförmig und kräftig", steht in einer Kurzbeschreibung in Internet geschrieben. Gemeint ist im Übrigen der Hund, nicht Töre.