Zum zweiten Mal patzte Torhüter Jaroslav Drobny entscheidend. HSV-Trainer Oenning will trotzdem an ihm festhalten. Zumindest vorerst.

Hamburg. Auch am Tag danach war Jaroslav Drobny nicht nach großen Reden zumute. "Es tut sehr weh", sagte der Tscheche mit versteinerter Miene, er habe schon mit dem Trainer über alles gesprochen, jetzt müsse er zur Nationalmannschaft. Viel mehr konnte, wollte und musste Drobny, der am Vortag das Stadion kommentarlos verlassen hatte, auch am Sonntag nicht sagen.

Die Bilder, die auf allen Fernsehsendern unmittelbar nach Spielschluss am Sonnabend immer und immer wieder gezeigt wurden, sagten ohnehin mehr als 1000 Worte. Sie zeigten Drobny aus allen Perspektiven, wie er zwei Minuten vor Schluss aus seinem Tor herausstürzte, den heranfliegenden Ball anvisierte und ihn dann doch viel zu kurz zum eingewechselten Kevin McKenna faustete. Wenn ein Torwart rauskommt, muss er den Ball haben, lautet die alte Faustregel, die Drobny am Sonnabend nicht beherzigte. Es war der große Tusch zum Schluss in einer Partie, die ohnehin mehr als unglücklich für den 1,92 Meter großen Keeper verlaufen war. Viermal kam der 1. FC Köln vor das Hamburger Tor, viermal landete der Ball im Tor, dreimal sah Drobny nicht gut aus. "Natürlich hat Jaroslav einen Fehler gemacht, er wollte einfach zu viel", sagte Trainer Michael Oenning, der trotzdem nichts von einem "Torwartproblem" wissen wollte. "Für Jaro ist das ganz bitter. Er muss nun zusehen, dass er seine Sache im nächsten Spiel umso besser macht."

Damit beantwortete Oenning auch die Frage, ob er nach 14 Gegentoren in nur vier Spielen daran denken würde, einen Torwartwechsel vorzunehmen. Tom Mickel, dem noch vor Kurzem von Oenning eine beeindruckende Vorbereitung bescheinigt wurde, muss also zunächst weiter auf seine Chance warten. Anders als Wolfgang Hesl, den der HSV nur zu gerne zu Dynamo Dresden ziehen ließ, trauen die Verantwortlichen des HSV dem gerade mal 22-jährigen U-19-Europameister von 2008 aber sehr wohl zu, früher oder später in die Fußstapfen Drobnys zu treten. Eher früher als später.

In der Partie nach der Länderspielpause gegen Werder Bremen soll Drobny, der in elf Pflichtspielen für den HSV 29 Gegentore kassierte, aber zunächst noch das Tor hüten dürfen. "Wir müssen Jaroslav unterstützen, er ist ein guter Bursche", sagte Sportchef Frank Arnesen am Sonntag, "aber er muss auch selbst etwas ändern." Gegen Berlin, erinnerte Arnesen, habe Drobny zwar ebenfalls das entscheidende Gegentor zum 2:2 verschuldet, anders als gegen Köln dafür aber auch viermal in höchster Not gerettet. Dass der Däne bereits in der Vorbereitung intern seine Vorbehalte gegenüber der Nummer eins zum Ausdruck gebracht hatte, wollte er öffentlich gestern nicht wiederholen: "Wir haben kein Torwartproblem."

Dass die ersten HSV-Anhänger sich bereits wieder nach Drobny-Vorgänger Frank Rost, der im Sommer ablösefrei zu den New York Red Bulls gewechselt war, sehnen, lässt Hamburgs Verantwortliche kalt. Der Routinier konnte in viereinhalb Jahren in Hamburg zwar auf dem Platz überwiegend überzeugen, abseits des Platzes weniger. Während Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann den früheren Münchner Thomas Kraft als Rost-Nachfolger favorisierte, stand bei Arnesen der Neu-Leverkusener Bernd Leno hoch im Kurs. Lediglich Trainer Oenning hatte sich schon zum Ende der vergangenen Saison auf Drobny als neue Nummer eins festgelegt.

DER TRANSFER-TICKER

Psychologische Aufbauarbeit kommt nun auf Torwarttrainer Ronny Teuber zu, der unmittelbar nach dem Schlusspfiff am Sonnabend noch auf dem Rasen zu seinem Schützling eilte. Unterstützung darf der introvertierte Torhüter auch von seinen Mitspielern erwarten, die sich nach der bitteren Pleite gegen Köln demonstrativ hinter ihn stellten. Die Niederlage sei nicht Drobnys alleinige Schuld, sagte Marcell Jansen, Per Skjelbred erinnerte daran, dass man als Mannschaft zusammen gewinne und auch verliere, und Heiko Westermann weigerte sich gar, über vermeintliche Fehler Drobnys überhaupt erst zu sprechen.

In den kommenden neun Tagen soll sich Drobny bei der Nationalmannschaft nun erst mal die Seele streicheln lassen. Am Sonnabend spielt Tschechien gegen Schottland, am Dienstag danach gegen die Ukraine. In beiden Partien soll Drobny für den verletzten Petr Cech spielen - und Taten statt Worte sprechen lassen.