So ändern sich die Zeiten. Als Paolo Guerrero, der Torschützenkönig der Copa América, am Dienstag im Testspiel gegen den FC Valencia eingewechselt wurde, gab es viel Applaus für den Peruaner. Das war einmal ganz anders. Flugangst-Affäre und Flaschenwurf-Volltreffer hatten dafür gesorgt, dass der HSV-Stürmer bei vielen Fans in Ungnade gefallen war. Die Zahl derjenigen HSV-Anhänger, die Guerrero zum Teufel gewünscht haben, war einmal größer als die seiner Befürworter. Auch zu Beginn dieser Saison gab es etliche Stimmen, die einen Verkauf des 27-jährigen Profis, der beim HSV einer der letzten Großverdiener ist, "angeregt" oder sogar massiv gefordert haben. Und nun diese fast liebevolle Begrüßung im Volkspark. Wie passt das zusammen?

Es passt schon. Für mich jedenfalls. Denn viele HSV-Fans haben die Zeichen der Zeit erkannt. Paolo Guerrero ist einer der letzten "Überlebenden" aus der Star-Ära. Er hat einen Namen, er hat Peru jetzt auf Platz drei der Südamerika-Meisterschaft geschossen - Paolo Guerrero ist jetzt so etwas wie ein Strohhalm in der HSV-Wundertüte. Auf Petric-Tore muss gehofft werden, und auf die von Guerrero. So ändern sich eben die Zeiten.

Und genau deswegen bin ich mir auch absolut sicher, dass es schon bald wieder bessere Zeiten für Heiko Westermann geben wird. Der HSV-Kapitän hat sich zwar in manchen Spielen durch fußballerische Defizite den Zorn einiger HSV-Anhänger zugezogen, aber er hat in jedem Spiel immer alles für die Raute gegeben. Das jedoch wird von einigen Fans verdrängt, deswegen gab und gibt es Pfiffe. Gegen Westermann. Er muss nun versuchen, sich durch ein möglichst fehlerfreies Spiel wieder in die Gunst der Hamburger zu spielen.

Aber die Fans sollten auch eines wissen: Der HSV befindet sich längst nicht mehr in der komfortablen Lage, dass er Stammspieler (zumal den Kapitän) unberücksichtigt auf der Bank oder auf der Tribüne sitzen lässt. Der Kader ist jung, und er ist vor allem eines: dünn. Jeder Spieler wird in dieser Saison dringend benötigt. Auch oder erst recht Heiko Westermann. Der nun keine Pfiffe, sondern eher Aufmunterung benötigt. Der HSV steht vor einer so schwierigen Saison, dass es sehr hilfreich sein kann, einen erfahrenen Nationalspieler in den eigenen Reihen zu wissen. Niemand weiß, ob man sich auf die junge Rasselbande verlassen kann. Dass HSV-Trainer Michael Oenning diesen Westermann wieder zum Kapitän gemacht hat, kommt nicht von ungefähr. Er traut ihm zu, dass er wieder zur alten Form zurückfindet.

Aufmunterung ist gefragt. Denn das kann funktionieren. Paolo Guerrero macht es deutlich. Siehe Dienstag.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab