Das Hamburger Abendblatt auf Besuch bei Marc Kosicke, dem Berater von HSV-Trainer Michael Oenning und Dortmunds Jürgen Klopp.

Eltville/Hamburg. Vor der Hausnummer 5 an der Wallufer Straße in Eltville nahe Wiesbaden kann man sich nur schwer vorstellen, was sich genau hinter dem massiven schwarzen Tor verbirgt, auf dessen Klingelschild lediglich Projekt B geschrieben steht. Geht das Tor aber nach wenigen Sekunden Wartezeit auf, ist man erst einmal beeindruckt. Als Besucher schaut man zunächst direkt auf den Rhein, dann zur Linken auf ein traumhaftes Herrenhaus und zur Rechten auf einen ehemaligen Pferdestall des Herrenhauses, der heute denselben Beinamen verdient hätte. Wirklich beeindruckend ist aber vielmehr, wer in dem Pferdestall vor vier Jahren sein Quartier aufgeschlagen hat: Marc Kosicke, 40, kurz rasiertes Haupthaar, Dreitagebart und spätestens seit der vergangenen Saison einer der wichtigsten Männer in Fußballdeutschland.

"Alles hat seinen Preis, gute Beratung ihren Wert", ist Kosickes Motto, das er auf seiner Homepage kommuniziert. Der gebürtige Bremer ist wahrscheinlich der einzige Trainerberater Deutschlands, der diese inoffizielle Berufsbezeichnung tatsächlich verdient. Als Kunden hat der zweifache Familienvater neben St. Paulis Neu-Trainer André Schubert, seinem Vorgänger Holger Stanislawski und Stuttgarts Bruno Labbadia auch HSV-Coach Michael Oenning und Dortmunds Jürgen Klopp, die am Freitagabend beim Eröffnungsspiel der neuen Bundesligasaison aufeinandertreffen. "Gerade nach der vergangenen Saison, in der beinahe im Wochenrhythmus Trainer rausflogen, wurde deutlich, dass nicht nur Spieler einen guten Berater brauchen", sagt Kosicke, dessen offizieller Beruf Geschäftsführer der Projekt B GmbH ist.

DFB-Manager Oliver Bierhoff, seit vielen Jahren ein Freund Kosickes, und er hätten die Agentur Anfang 2007 gegründet, ohne damals zu wissen, was sie im Detail eigentlich machen wollten, erzählt der Wahl-Hesse, der zuvor als Sports Marketing Direktor beim Sportartikelhersteller Nike für die Märkte in Österreich, der Schweiz, Slowenien und eben in Deutschland zuständig war. Der Familienvater konnte damals noch nicht ahnen, dass er mit der Beratung von Fußballtrainern eine Nische ausfüllen sollte, die offenbar nur darauf gewartet hatte, geschlossen zu werden.

Gerne und oft muss Kosicke zum Besten geben, wie alles mit Jürgen Klopp vor etwas mehr als drei Jahren begann. Kennengelernt hatten sich die beiden, als Kosicke noch Marketingmann bei Nike und Klopp Trainer beim FSV Mainz 05 war. Als der dann nachfragte, ob der Sportartikelriese ihn nicht als Werbeträger unter Vertrag nehmen wolle, musste Kosicke den Wunsch des Trainers zunächst verneinen. Nike habe Cristiano Ronaldo, Franck Ribéry oder Wayne Rooney unter Vertrag, da passe der Mainzer Coach nicht wirklich ins Portfolio. Später, als die beiden in Wiesbaden noch ein Bier trinken gingen, unternahm Klopp einen letzten Versuch. Er wolle kein Geld, allenfalls die Klamotten.

Kosicke verstand: Wer einen derartigen Werbevertrag hat, der ist gefragt. Der Deal ging über die Bühne - wenig später wurde Kosicke Klopps offizieller Berater. "Wenn Jürgen den Raum betritt, dann fühlt man sich gleich viel besser", beschreibt Kosicke in einem Satz den Trainer, dem er als erste Amtshandlung zu einem Wechsel von Mainz zu Borussia Dortmund riet. Dortmund wurde unter Klopp zum Meisterklub, er selbst mit Kosicke zum Meistertrainer und gefragten Werbebotschafter. Diesmal sogar für Geld.

In der Szene sprach sich der Erfolg schnell herum. Bruno Labbadia engagierte Kosicke nach dem Wechsel von Bayer Leverkusen zum HSV, Michael Oenning und Kosicke einigten sich auf eine Zusammenarbeit vor seinem Engagement beim HSV. "Marc berät mich, aber er ist nicht mein Berater", sagt der Hamburger, der großen Wert darauf legt, keinen Vertrag mit einem Agenten eingegangen zu sein. "Generell schließe ich nie einen Vertrag mit meinen Mandanten. Nach guter hanseatischer Tradition zählt der Handschlag", sagt Kosicke, der allerdings nicht verraten möchte, wie viel genau ihm seine beratende Tätigkeit einbringt. "Das ist immer unterschiedlich und kommt ganz auf den Kunden an", sagt der Marketingexperte, der nach eigener Aussage pro Monat rund zehn Anfragen von potenziellen Werbekunden für Klopp absagen muss.

Eine knappe Stunde dauert das Gespräch in dem großzügigen, aber eher funktional eingerichteten Büro, bis die Frage gestellt wird, auf die Kosicke schon die ganze Zeit gewartet hat. "Ja, dazu kann ich eine ganz nette Geschichte erzählen", beantwortet der diplomierte Sportwissenschaftler die Frage, ob er schon mal auf seine frappierende Ähnlichkeit mit Hoffenheims Trainer Holger Stanislawski angesprochen worden sei. Anekdoten kann der Mann in weißem Longsleeve, dunklem Sakko, khakifarbener Hose und Sneakers zum Besten geben wie kein Zweiter.

Stanislawski, damals noch Trainer beim FC St. Pauli, Sportchef Helmut Schulte und er hätten mal bei einem Kaffee zusammengesessen, erinnert sich der Trainermacher, als Stanislawski ihn ziemlich direkt ansprach: "Ey Digger, du siehst ja genauso aus wie ich", sagte der Coach in Richtung Kosicke, der die optischen Gemeinsamkeiten aber nicht als Hauptargument für die baldige Zusammenarbeit anführt.

"Stani erfindet sich ständig neu. Das ist es, was ihn von seinen Trainerkollegen unterscheidet. Er ist authentisch, glaubwürdig und absolut echt", sagt Kosicke, der erstmals für Stanislawski in Hoffenheim vorfühlte, als 1899-Sportchef Ernst Tanner gerade Marco Pezzaiuoli zum Cheftrainer ernannt hatte. "Zu meinen Aufgaben gehört es auch, den Markt zu sondieren und perspektivische Möglichkeiten abzuklopfen", erklärt Kosicke. Knapp vier Monate später gab Stanislawski seinen Wechsel nach Hoffenheim bekannt.

Auch Stanislawskis Nachfolger Schubert, optisch in einer Liga mit Stanislawski und Kosicke, ist dessen Kunde. "Ich verstehe nicht ganz, warum nur Spieler einen Berater haben sollen. Als Trainer hat man doch mindestens den gleichen Bedarf", sagt Schubert, nachdem ihn Kosicke erfolgreich beim FC St. Pauli ins Gespräch brachte. Doch anders als bei Klopp, Labbadia, Oenning und Stanislawski war es zuvor Kosicke, der den damaligen Paderborner wegen einer möglichen Zusammenarbeit ansprach, nicht umgekehrt. "Ich wollte noch gerne mit einem jungen Trainer zusammenarbeiten", sagt Kosicke, der sich auch bei Klopp nach Schubert erkundigte: "Als ich Jürgen fragte, welchen Trainer er aus der Zweiten Liga an meiner Stelle beraten würde, antwortete er ohne zu überlegen, dass er Schubert nehmen würde. Das bestätigte meinen Eindruck."

Weitere Klienten will Kosicke, der jedes Jahr ein gemeinsames Essen mit allen Mandanten veranstaltet, vorerst nicht annehmen. Er sei ausgelastet, berate mit Projekt B ja nicht nur Trainer, sondern auch Firmen, Athleten und einen TV-Moderator. Ob er bei keinem schwach würde? "Na ja", antwortet Kosicke, überlegt und sagt dann, dass er keine Namen nennen möchte. Schließlich meint er eindeutig zweideutig: "Ich bin und bleibe im Herzen Bremer."