Trainer Oenning versucht zum Beispiel mit Surfen auf der Ostsee oder dem Gletschertraining in Österreich den Teamgeist zu wecken.

Hamburg. Bis zum frühen Morgen wurde dichtgehalten. Erst als die gesamte Mannschaft am Freitag um 7.30 Uhr in der Kabine versammelt war, ließ Michael Oenning buchstäblich die Hosen runter. Statt auf dem Trainingsplatz setzte der HSV-Trainer kurzerhand eine feucht-fröhliche Einheit der anderen Art in Wulfen auf Fehmarn an. Unter Anleitung der dreifachen Surfweltmeisterin Andrea Höppner sollten die Fußballer vor dem Testspielwochenende in den Niederlanden mal so richtig gegen den Strom schwimmen: Stand-up-Paddling und Windsurfing statt Flanken- und Schusstraining.

"Ich habe das noch nie gemacht. Ich kann nicht mal richtig schwimmen", scherzte HSV-Neuzugang Michael Mancienne, der in der eiskalten Ostsee trotzdem eine gute Figur machte. Dabei standen weniger die Haltungsnoten als viel mehr der Spaß im Vordergrund der Einheit, die einzigartig war und doch Symbolcharakter hatte.

Oennings teamorientiertes Training soll den Mannschaftsgeist fördern

Surfen auf Fehmarn, Gletschertraining in Österreich und ein Hüttenabend im Trainingslager - für Trainer Oenning hat die Suche nach dem Geist der Mannschaft Priorität. "Alle arbeiten nun für ein Ziel. Ob dieser Zusammenhalt Bestand hat, wird sich erst in schwierigen Zeiten herausstellen", sagt Oenning, der nichts unversucht lässt, um aus der Ansammlung von Profifußballern eine Einheit zu formen.

Die Erinnerungen an die letzte Spielzeit, in der zwar immer elf Spieler, aber nie elf Freunde auf dem Feld standen, ist auch beim damaligen Co-Trainer Oenning noch frisch. Als beispielsweise Kapitän Heiko Westermann zu Saisonbeginn seine Mitspieler in das Restaurant Bullerei von Starkoch Tim Mälzer ins Schanzenviertel lud, kamen dem Vernehmen nach gerade mal eine Handvoll Profis und Betreuer. Der mittlerweile aussortierte Guy Demel gab sogar öffentlich zu, nie mit dem ebenfalls aussortierten Torhüter Frank Rost auch nur ein Wort gewechselt zu haben. Vorgänge, die sich so unter keinen Umständen wiederholen sollen. "Wenn ich die Mannschaft beobachte, sehe ich, dass sie mit Herz und Begeisterung bei der Sache ist", zieht Oenning ein positives Zwischenfazit, gibt aber zu bedenken: "Ob das reicht, wenn es in der Bundesliga ernst wird, das weiß ich nicht."

Der frühere DFB-Chefausbilder Erich Rutemöller kann Oennings Bedenken verstehen, hält seinen Weg aber für alternativlos. "Das sogenannte Teambuilding ist keine Erfolgsgarantie. Keine Mannschaft spielt besser Fußball, nur weil sie surfen oder klettern geht", sagt Rutemöller, der trotzdem dem teamorientierten Training einen wachsenden Stellenwert beimisst. "Besonders unsere dozierenden Sportpsychologen Werner Mickler und Babett Lobinger haben die angehenden Trainer für diese Themen sensibilisiert", sagt Rutemöller, der auch Oenning als Trainerschüler unterrichtete. "Michael ist ein sehr intelligenter Trainer, der seinen Weg gehen wird. Für den HSV ist er ein Glücksfall", lobt Rutemöller, der besonders Jürgen Klopps mannschaftsorientiertes Training schätzt.

Dortmunds Meistercoach, der mit Oenning auch privat befreundet ist, gilt als Fan alternativer Trainingsmaßnahmen. Mal hat er mit seinen Spielern eine Woche in einer Schwarzwaldhütte ohne Strom verbracht, mal ein Überlebenstraining in Schwedens Wildnis absolviert. "Ein Team entsteht wie eine Familie durch gemeinsame Erlebnisse, und je extremer die Erlebnisse sind, desto mehr schweißen sie zusammen.", sagt Klopp, der in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" seine außergewöhnlichen Maßnahmen verteidigte: "Aus einer Ansammlung von Spielern eine besondere Mannschaft zu machen, das ist der Plan, der hinter allem steckt. Jeder ist für alles verantwortlich - dies muss jeder Spieler begreifen."

Trainerausbilder Rutemöller warnt davor, Zirkustraining zu veranstalten

Klopp und Oenning sind in der Bundesliga längst keine Einzelfälle mehr. Die Zeiten, in denen alternative Trainingsformen als "nutzloser Hokuspokus" verspottet wurden, sind längst vorbei. Hoffenheims Holger Stanislawski organisierte für seine Profis eine "Team-Challenge", bei der jeweils zwei Profis mit nur einem Fahrrad einen See umrunden mussten. Bayerns Jupp Heynckes ließ seine Stars Hand in Hand in Sechsergruppen Slalomparcours durchlaufen. "Die Trainer können gruppenbildende Maßnahmen auch in den täglichen Einheiten umsetzten", sagt Rutemöller, "wichtig ist nur, dass die Einheiten genauso ernst wie normales Balltraining umgesetzt werden. Teambuilding darf kein Zirkus werden."

Oennings im März entlassener Vorgänger Armin Veh war im Übrigen kein Freund alternativer Trainingsformen. Teambuilding, so Veh, finde in der täglichen Trainingsarbeit statt.

Oder eben auch nicht.