Mit Gökhan Töre will HSV-Sportchef Frank Arnesen den dritten Profi aus London verpflichten - Bruma soll folgen

Hamburg. Das Leben des Fußballers Gökhan Töre ist in diesen Tagen reichlich in Bewegung gekommen: Am Freitagabend stand der 19-Jährige erstmals im Aufgebot der türkischen A-Nationalmannschaft gegen Belgien (1:1), saß aber nur auf der Bank. Heute, spätestens morgen wird der in Köln geborene Deutschtürke in Hamburg erwartet. Treten weder bei der medizinischen Untersuchung noch bei den letzten Vertragsgesprächen Komplikationen auf, wird das Offensivtalent (im Sturm oder vorderen Mittelfeld einsetzbar) beim HSV einen Vertrag bis 2014 unterschreiben. Vorsicht, Ironie: Erstaunlicherweise ist der abgebende Verein der FC Chelsea London.

Während Trainer Michael Oenning seinen Sommerurlaub unter anderem in Kalifornien verbringt, hat sich HSV-Sportchef Frank Arnesen also zum dritten Mal aus dem reichhaltigen Fundus seines früheren englischen Arbeitgebers bedient. Vergangene Woche waren die Transfers des englischen Verteidigers Michael Mancienne, 23, sowie des italienischen Offensiven Jacopo Sala, 19, als perfekt gemeldet worden. Da Arnesen noch immer Hoffnung hat, den Zuschlag bei Defensivspezialist Jeffrey Bruma, 19, zu erhalten, wenn dieser von der niederländischen Nationalmannschaft zurückkehrt, scheint es auf den ersten Blick so, als ob sich der HSV zunehmend zum Chelsea Hamburg entwickelt, zumal Arnesen auch den neuen technischen Direktor Lee Congerton, Bjarne Hansen (Skandinavienscout), Jan Ricka (Tschechienscout), seinen Sohn Sebastian (Scout für Belgien und die Niederlande) und Steve Houston (Administrator) von der Themse mit an die Elbe brachte.

Der HSV als dankbare Anlaufstelle für Talente, die sich beim Klub von Roman Abramowitsch nicht ganz oben durchsetzen konnten? Der sich aufdrängende Eindruck, dass Arnesen Woche für Woche schaut, wer noch bei seinem Ex-Klub zu haben ist, trügt allerdings. Mancienne, Sala und Töre sind als "Einkaufspaket" zu betrachten, über das beide Klubs verhandelten. Die Gesamtsumme für alle drei Spieler soll 2,5 Millionen Euro nicht überschreiten, wobei Mancienne mit rund zwei Millionen Euro für den Großteil der Ablöse verantwortlich zeichnet.

Töre kam wie auch Sala in der vergangenen Saison in Chelseas zweiter Mannschaft zum Einsatz und holte in der "Barclays Premier Reserve League" durch ein 5:4 im Elfmeterschießen (1:1) gegen Blackburn Rovers den Titel. Die Struktur des Unterbaus ist auf der Insel allerdings umstritten, die Reserveliga wird zuweilen spöttisch als "Bermuda-Dreieck für 18- bis 23-jährige Talente" bezeichnet. Auf die echten Wettkampfbedingungen werden die Spieler nur bedingt vorbereitet, die Zuschauerzahlen sind verschwindend gering. Die 799 Zuschauer, die das Endspiel gegen Blackburn an der Stamford Bridge verfolgten, sind schon als Spitzenwert anzusehen.

Kein Wunder, dass der HSV Sala und auch Töre, die ohne Premier-League-Einsatz geblieben sind, in die Kategorie Perspektivspieler einordnet, die zunächst für die U 23 in der Regionalliga spielen werden. Bei Töre dürfte die Eingewöhnungsphase allerdings deutlich kürzer ausfallen, da dieser zwischen 1999 und 2009 die Jugendmannschaften bei Bayer Leverkusen durchlief, ehe er zum FC Chelsea wechselte.

Anders wird Mancienne bewertet, der in den drei vergangenen Spielzeiten 50 Einsätze in der Premier League für die Wolverhampton Wanderers absolvierte. Er soll sofort den Sprung in die Stammformation schaffen und mit Heiko Westermann innen verteidigen.

Mancienne, Sala, Töre und Bruma - auf den ersten Blick scheint es fast logisch, dass Arnesen die besten Talente aus dem Bereich herauszufischen versucht, den er am besten kennt. Auf der anderen Seite setzt sich der Däne mit seiner Transferpolitik sofort unter Druck, schließlich steht mit den von Chelsea verpflichteten Spielern zugleich sein Auge für Talente auf dem Prüfstand. Ob das frühe Bekanntwerden der Transfers die Verhandlungsposition des HSV bei potenziellen Verkäufen schwächt, bleibt abzuwarten, schließlich dürfte auf dem Markt jetzt allgemein bekannt sein, dass die Hamburger mehr als zehn Spieler abgeben müssen, um die gewünschte Kaderstärke (25 Feldspieler inklusive drei Torhüter) für die kommende Serie zu erreichen und dabei Platz zu schaffen für weitere Neuzugänge. Vielleicht hat Chelsea ja noch ein Juwel übrig.