Nach den Abgängen von Trochowski, Choupo-Moting und Torun spielt kein Profi aus der Hansestadt mehr beim HSV. Das war schon einmal anders.

Hamburg. Hamburg ist unbestritten eine schöne Stadt. Das erzählen viele Zugereiste, und die Einheimischen sind in der Regel ohnehin angetan von der Elbmetropole. Dennoch zieht es die hier aufgewachsenen Fußballer in schöner Regelmäßigkeit raus aus der Stadt. In Hamburg sagt man Tschüs - Heidi Kabel hat es in ihrem Lied schon früh erkannt. Mit dem Wechsel von HSV-Stürmer Tunay Torun zur Hertha verlässt nun der letzte Hamburger Jung den Traditionsklub, der nach den feststehenden Abgängen von Maxim Choupo-Moting (neuer Verein noch offen) und dem hier aufgewachsenen Piotr Trochowski (Sevilla) in der kommenden Saison wohl ganz ohne Spieler auskommen muss, für die der Verein schon aufgrund ihrer Herkunft die komplette Identifikation bedeuten könnte. Das gab es beim HSV zuletzt in der Saison 1999/2000.

+++ Fußballhauptstadt Hamburg, was nun? +++

"Es ist sehr hart für mich, Hamburg zu verlassen, da meine Familie und meine Freunde hier sind. Zudem ist der HSV ein großartiger Traditionsverein", sagt Torun, den der HSV eigentlich halten wollte. "Doch ich muss Prioritäten setzen." Und diese sind dem Heimatgefühl übergeordnet: Der 21-Jährige, der in der Jugend vom FC St. Pauli zu den Rothosen wechselte, erhofft sich beim Aufsteiger aus Berlin längere Einsatzzeiten und darauf basierend eine bessere sportliche Perspektive. Auch wenn es ihm schwerfällt. "Ich würde es mir wünschen, dass es in Zukunft im Fußball wieder bedeutsamer wird, für seinen Heimatklub zu spielen. Denn etwas Größeres, als ein Tor für einen Verein seiner Stadt zu schießen, gibt es für einen Profifußballer eigentlich nicht."

Das sehen einige Kicker in der spanischen Eliteliga ähnlich. Dort spielt Athletic Bilbao seit der Gründung der Primera Division im Jahre 1928 durchgehend erstklassig und wurde in dieser zeit achtmal Meister. Der Klub hat den Anspruch, nur Spieler baskischer Herkunft einzusetzen - entweder werden sie in der eigenen Jugend aufgebaut oder von anderen Vereinen aus dem Baskenland abgeworben. Auch wenn diese Politik in den letzten Jahren ein wenig aufgelockert wurde, zeigen diese Spieler eine große Loyalität zum Verein und verbringen oft ihre gesamte Karriere.

Ein HSV-Team bestehend fast ausschließlich aus Hamburgern - das gab es zu Zeiten Uwe Seelers. In der Meistermannschaft von 1960 galten Jürgen Kurbjuhn aus Buxtehude und Klaus Stürmer aus Glinde als die "Ausländer" des Teams. "Mit elf Hamburgern zum Titel" - mit dieser Schlagzeile wurde die legendäre Mannschaft immer wieder verbunden. Mit Leidenschaft, Kämpferherz und einem starken Teamgeist setzte sich die Elf damals gegen die haushoch favorisierten Kölner mit 3:2 im Endspiel durch. "Ich fände es auch heute noch super, wenn wir waschechte Hamburger hätten, da die Identifikation mit dem Verein ganz wichtig ist", sagt der derzeitige HSV-Trainer Michael Oenning. Doch dies sei heutzutage kaum umsetzbar und verkläre die Realität. "Doch wenn man es auf den Punkt bringt, dass wir künftig ganz ohne ein Hamburger Gesicht auftreten werden, ist das schade."

In der Tat wäre der HSV selbst dann kaum konkurrenzfähig, wenn alle gebürtigen Hamburger Fußballprofis im wettkampffähigen Alter den Weg zurück in die Heimat fänden. Martin Harnik (Stuttgart), Alexander Meier (Frankfurt), Patrick Owomoyela (Dortmund) und Ivan Klasnic (Bolton) sind da schon die bekanntesten Namen. Zwei weitere hätten in absehbarer Zeit hinzukommen können, doch auch sie wählten den Weg ins "Exil": Der vom HSV und anderen Profiklubs beobachtete Stürmer Marc-Kemo Kranich, 19, vom Oberligaklub Wedeler TSV entschied sich aus privaten Gründen für einen Wechsel zu Hannover 96, im vergangenen Sommer wählte der hochtalentierte Tarik Cosgun, 18, den Weg aus Bergedorf zum VfB Lübeck, da er dort größere Chancen sieht, sich weiterzuentwickeln.

"Das Bestreben ist da, möglichst viele Talente aus dem eigenen Umfeld zu verpflichten", sagt Christofer Clemens, beim HSV Leiter der Abteilung Scouting und Spielanalyse. Doch sei der Fußball viel zu global geworden, die eigene Stadt habe damit als Schwerpunktgebiet nur untergeordnete Bedeutung. Die Beispiele Dortmund und Bayern zeigen jedoch, dass Fußball mit vielen Eigengewächsen durchaus erfolgreich sein kann.

In Hamburg sagt man Tschüs, das heißt auf Wiedersehen. Es könnte etwas Wahres in diesen Zeilen stecken, wenn eines Tages einer der verlorenen Söhne zurückkehrt.