Der Mittelfeldspieler verlässt den HSV im Sommer nach sechseinhalb Jahren und will sich beim FC Sevilla weiterentwickeln. Ziel ist auch die EM.

Hamburg. In der Regel wird Piotr Trochowski bei Presserunden wie jeder andere HSV-Profi auch mit einem freundlichen "Guten Morgen, wie geht's?" begrüßt. Doch auch das spanische Äquivalent "Buenos Días, cómo estás?" stellte den Mittelfeldspieler gestern vor keinerlei Probleme. "Muy bien, y tú?", zu Deutsch "Sehr gut, und dir?", antwortete er mit einem Grinsen. Trochowski hat Spanisch bereits in der Schule gelernt und das Wissen mithilfe von CDs in Eigenregie aufgefrischt. Zur intensiveren Konversation reiche es noch nicht, aber er habe ja auch noch einige Wochen Zeit, ehe der Dienst beim FC Sevilla beginnt.

Trochowskis Berater Roman Grill hatte den Wechsel seines Klienten in die spanische Eliteliga schon vor einigen Tagen bekannt gegeben, am Wochenende klärten sich bei einem Besuch vor Ort letzte Details. Nach sechseinhalb Jahren ist das Kapitel HSV für den Mittelfeldspieler, den nach Collin Benjamin und David Jarolim dienstältesten Profi der Hamburger, im Sommer beendet. Nur wuchs er im Gegensatz zu den anderen "Urgesteinen" des Vereins in Hamburg auf und hat damit noch einen tieferen Bezug zur Stadt.

"Natürlich fällt es mir schwer, diesen Verein zu verlassen, ich hatte gute Zeiten hier und wurde zum Nationalspieler. Zudem leben Freunde und Familie in Hamburg. Dennoch ist ein Wechsel ins Ausland in meinem Alter der logische Schritt, um mich weiterzuentwickeln", erklärt der 27-Jährige. Der Entschluss, dem HSV den Rücken zuzukehren, reifte bereits im Winter, als er trotz vernünftiger Auftritte zum Ende der Hinrunde nach der Winterpause kaum noch eine Rolle unter Trainer Armin Veh spielte und dadurch auch seine Karriere im Nationalteam ins Stocken geriet. Bei Michael Oenning kommt der kleine Dribbler bisher gar nicht zum Zuge. Seine Lieblingsposition im zentralen offensiven Mittelfeld ist von Zé Roberto besetzt, auf den Flügeln bevorzugt der HSV-Coach schnellere Spieler. In Sevilla stellten die Verantwortlichen Trochowski die zentrale Position hingegen in Aussicht. Zudem ist der 35-fache Nationalspieler ein Fan des spanischen Fußballs. "Dort wird mehr Wert auf fußballerische Dinge gelegt, technische Fähigkeiten sind eher gefragt als in der Bundesliga."

Jetzt gilt es für Trochowski, den endgültigen Durchbruch zu schaffen. Trotz seiner beachtlichen internationalen Karriere hängt ihm immer noch der Ruf als "ewiges Talent" an, da ihn alle seine Trainer beim HSV zeitweise auf die Bank verbannten. In Sevilla ist er nun weitgehend auf sich allein gestellt. Nur seine Freundin Melanie begleitet ihn, Ratschläge von anderen ehemaligen Bundesligaprofis wie seinem künftigen Mannschaftskameraden und Ex-Schalker Ivan Rakitic oder David Odonkor, der fünf Jahre bei Betis Sevilla kickte, will er nicht einholen. "Ein Freund von mir hat dort studiert und war begeistert, jetzt will ich dort auch heimisch werden."

Sein großes Ziel ist klar definiert: die EM 2012 in Polen und der Ukraine, für Trochowski als gebürtigen Polen etwas ganz Besonderes. Dass er in Spanien ein wenig aus dem Blickfeld von Bundestrainer Joachim Löw rücken könnte, glaubt er nicht - vielmehr will sich der Freistoßspezialist durch die regelmäßige Teilnahme am internationalen Wettbewerb mit dem FC Sevilla wieder in den Fokus der Nationalelf spielen. Doch zunächst hat Trochowski ein viel kurzfristigeres Ziel: "Ich möchte die letzten fünf Spiele beim HSV nicht auf der Bank verbringen. Wie vor zwei Jahren gegen Frankfurt in letzter Minute mit einem Tor die Europa League zu sichern - das wäre für mich ein Abschied nach Maß."