Schon Rafael van der Vaart wollte wie jetzt Ruud van Nistelrooy seinen Wechsel erzwingen. Es gibt viele Beispiele

Hamburg. Es geschah weit abseits des Stadions in einem Edelloft im Falkenried. Und doch wird für die meisten Fans des HSV das Hamburg-Gastspiel von Rafael van der Vaart untrennbar mit jener Szene vom 17. August 2007 verbunden bleiben: Der Holländer streift in seiner Wohnung für die Fotografen der spanischen Sport-Tageszeigung "As" ein Trikot des FC Valencia über - eine Provokation, mit der er seinen Wechsel nach Spanien erzwingen wollte. Vergebens. Nur der Boulevard-Name "Van der Verrat" blieb haften.

Die Affäre zeigt, dass es sich bei dem aktuellen Fall Ruud van Nistelrooy, der mit aller Macht seine Rückkehr zu Real Madrid durchdrücken will, mitnichten um einen Einzelfall handelt. Ein Jahr zuvor war es Khalid Boulahrouz, der sich ausgerechnet beim Warmlaufen vor dem Champions-League-Spiel gegen CA Osasuna verletzte. Hätte er gespielt, wäre sein ersehnter Wechsel zum FC Chelsea wohl geplatzt. Denn dann wäre er für die Londoner nicht mehr in der Königsklasse spielberechtigt gewesen.

Doch auch die aktuelle Saison liefert eindeutige Fälle. In Hoffenheim forcierte Stürmer Demba Ba seinen Abgang mit schlichter Arbeitsverweigerung. Der Senegalese fuhr einfach nicht mit ins Trainingslager. Beim FC Schalke kündigte Jefferson Farfan aus seiner peruanischen Heimat an, dass er den Verein sofort verlassen möchte, und flog deutlich verspätet ins Schalker Trainingsquartier in die Türkei. Und Wolfsburgs Edin Dzeko greinte intern wie extern so lange, bis sein ersehnter Wechsel zu deutlich verbessertem Salär bei Manchester City perfekt war.

Verfallen in der Bundesliga die Sitten? Sind Verträge mit den Millionären in kurzen Hosen nichts mehr wert? Regiert die Taktik "auf die linke Tour"?

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer der Dortmunder Borussia, empfiehlt jedenfalls, auf die Einhaltung von Verträgen zu pochen: "Umgekehrt erwarten dies die Spieler ja auch. Was meinen Sie, was los wäre, wenn die Vereine die Gehälter kürzen würden, weil die Leistungen zu schlecht sind."

Doch Watzke hat auch gut reden. Sein Ensemble, unangefochten an der Tabellenspitze, gilt derzeit als Muster für Charakter und Erfolgswillen.

"In solchen Situationen gibt es keine Gewinner", sagt Benno Möhlmann, einst HSV-Trainer, jetzt Coach beim Zweitliga-Klub FC Ingolstadt.

Möhlmann kann mit Fug und Recht als profunder Experte betrachtet werden. Als Trainer mit der Erfahrung von 22 Berufsjahren - und als Gründungsmitglied der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer VdV, die sich für die Interessen der Profis einsetzt. Möhlmanns Empfehlung lautet: "Natürlich sind Verträge bindend. Aber man muss auch bereit sein, nach Lösungen zu suchen, die dann im Interesse beider Seiten sind." Schließlich könne ein völlig unzufriedener Spieler zu einer erheblichen Belastung für das Betriebsklima werden.

Auch VdV-Justiar und Rechtsanwalt Frank Rybak verurteilt es, wenn Spieler mit Drohungen oder Provokationen versuchen, aus den Verträgen herauszukommen: "Das ist nicht akzeptabel. Vertrag ist Vertrag." Dennoch handele es sich bei den derzeit diskutierten Fällen um eine "verschwindend geringe Zahl von besonders hochkarätigen Spielern". In seinem Alltagsgeschäft als Anwalt der Spieler gehe es um andere Probleme: "Da versuchen die Vereine, Spieler mit unlauteren Mitteln zur Vertragsauflösung zu bewegen."

Für mehr Schlagzeilen sorgen natürlich die Fälle van Nistelrooy oder Demba Ba. Die Forderung von "Bild", diese Spieler einfach zu sperren, ist zwar sehr nah an der Wahrnehmung der Fans. Umzusetzen ist sie in der Praxis kaum. Der Verstoß müsste schon eklatant sein, um eine solche Maßnahme zu rechtfertigen. Zudem hat der Klub in aller Regel gar kein Interesse an einer Eskalation. Im Fall van Nistelrooy etwa wünscht sich die Chefetage ja kaum etwas sehnlicher als einen glücklichen Niederländer, der den Klub noch ins internationale Geschäft schießt.

So sorgt mitunter schlicht das Schicksal für ausgleichende Gerechtigkeit. Die Freude des Hoffenheimer Deserteurs Demba Ba über den erhofften Wechsel zum Premier-League-Klub Stock City währte nur sehr kurz. Der Stürmer fiel durch den obligatorischen medizinischen Check und muss jetzt wieder nach Hoffenheim. Dort hält sich der Jubel allerdings in Grenzen. Denn ein Comeback hält Manager Ernst Tanner für ausgeschlossen: "Das ist der Mannschaft nicht zuzumuten."