Ex-Präsidenten des HSV reagieren mit Unverständnis auf die Ratenzahlung. Mit Abstand am kritischsten äußerte sich Wolfgang Klein.

Hamburg. HSV-Aufsichtsratschef Horst Becker war wenig verwundert, als bei ihm gestern am frühen Morgen das Telefon klingelte. Natürlich war der noch bis zum 9. Januar amtierende Vorsitzende des Kontrollgremiums über die Abendblatt-Veröffentlichung der 20-Millionen-Euro-Hypothek längst informiert und hatte bereits seinerseits mehrere Telefonate geführt. Die Aufregung um die veröffentlichten Zahlen, die den Schluss nach sich ziehen, dass der HSV in der kommenden Saison 14 Millionen Euro und in den Jahren danach sechs Millionen Euro Verbindlichkeiten für bereits abgewickelte Transfers zu leisten hat, wollte Becker allerdings nicht verstehen. "Ich empfinde es überhaupt nicht als besorgniserregend, dass wir nun 14 Millionen Euro Verbindlichkeiten für die kommende Saison haben, weil zu diesem Zeitpunkt niemand wissen kann, welche Einnahmen wir dagegenrechnen können", sagte Becker. "Wir haben eine Liquidität, die liegt bei rund 20 Millionen Euro."

Sehr viel kritischer nahmen dagegen die Ex-Präsidenten des HSV - Peter Krohn (Präsident von 1973 bis 1975), Wolfgang Klein (1979 bis 1987), Jürgen Hunke (1990 bis 1993) und Uwe Seeler (1995 bis 1998) - die Abendblatt-Veröffentlichung auf. "20 Millionen Euro, das ist ein ganz schöner Haufen. Ich bin grundsätzlich für Risiko, aber es muss überschaubar bleiben", sagte Seeler und ergänzte: "Es scheint so, als ob der HSV zur Leistung verdammt ist." Ähnlich sieht es auch Hunke, der am 9. Januar selbst in den Aufsichtsrat einziehen will: "Ich habe als Präsident immer ganz hanseatisch nur so viel ausgegeben, wie ich eingenommen habe. Dieses Handeln scheint die aktuelle Vereinsführung leider nicht zu verfolgen."

Mit Abstand am kritischsten äußerte sich Wolfgang Klein: "Der HSV hat sich durch die millionenschweren Verbindlichkeiten den eigenen Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. Salopp gesagt: Die Verantwortlichen haben gezockt und sich im Endeffekt verzockt. Man hat darauf gesetzt, dass man durch die Investitionen in die Champions League einzieht. Mit einer soliden Etatplanung hat das aber nicht viel zu tun." Klein, in dessen Amtszeit als Präsident die sportlich erfolgreichste Zeit, gleichzeitig aber auch finanziell eine der schwersten Zeiten der Vereinsgeschichte fallen, sieht nun Bastian Reinhardt als Leidtragenden und kritisiert offen den Aufsichtsrat: "Der Sportchef muss nun die Suppe auslöffeln, die ihm der Vorstand zuvor eingebrockt hat. Der Aufsichtsrat hat versagt, das kann man so deutlich sagen. Die nun bekannten Verbindlichkeiten beweisen in aller Deutlichkeit, dass es sich ein Bundesligaverein nicht leisten kann, längere Zeit auf einen Sportchef zu verzichten."

Den Vorwurf, versagt zu haben, will Aufsichtsratschef Becker so nicht stehen lassen: "Die Zahlen sind dem Aufsichtsrat seit Langem bekannt. Ich bin jetzt seit 14 Jahren im Aufsichtsrat. Und wir haben immer mehr als pünktlich die ausstehenden Verbindlichkeiten gezahlt." Der Vorsitzende des Kontrollgremiums verweist darauf, dass die von den Ex-Präsidenten kritisierte Ratenzahlung selbst bei europäischen Spitzenklubs üblich sei. "Selbst Klubs wie Manchester City und Real Madrid haben Transfers uns gegenüber in Raten gezahlt. Auch Rafael van der Vaart haben wir in Raten gezahlt." Kurios: Sogar für den von Becker angesprochenen van der Vaart, der 2008 vom HSV zu Real Madrid gewechselt ist und seit dieser Saison bei Tottenham Hotspur spielt, müssen die Hamburger noch eine letzte Rate über mehr als 1,5 Millionen Euro an Ajax Amsterdam zahlen, was Becker aber als unbedenklich empfindet: "Das alles ist kein Geheimnis. Sogar in der veröffentlichten Bilanz steht wortwörtlich geschrieben: 'Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von rund 28 Millionen Euro betreffen primär die in den folgenden Jahren zu zahlenden Ablöseraten.'"

Trotzdem fordert Ex-Präsident Hunke ein Umdenken im Vorstand und im Aufsichtsrat: "Ich fordere bereits seit Jahren, dass der HSV transparenter werden muss. Diese Zahlen sind ein weiterer Beleg dafür, dass im Verein etwas nicht stimmt." Der Aufsichtsratskandidat hat deswegen einen Antrag eingereicht, dass die Verantwortlichen zukünftig einen mittelfristigen Finanzplan für den Verein veröffentlichen müssen. "Leider hat der Aufsichtsrat diesen Antrag nicht weiterverfolgt", sagt Hunke.

Etwas wehmütig schaut der ehemalige Präsident Krohn angesichts der vom Abendblatt veröffentlichten Zahlen auf seine frühere Amtszeit zurück: "Ich bin froh, dass wir zu meiner Zeit als Präsident und Generalmanager keinen einzigen Spieler mit Ratenzahlungen verpflichtet haben. Beim HSV wurden von mir jedenfalls nur Spieler gekauft, die wir sofort und ohne Kreditaufnahme finanzieren konnten." So kann sich Krohn noch gut daran erinnern, dass sogar Superstar Kevin Keegan - mithilfe einer Gala und eines Ablösespiels - vom FC Liverpool verpflichtet wurde. Für zwei Millionen Mark. Ohne Raten.