Armin Veh vermisst das Herz bei den Spielern - Willi Schulz fordert eine Verjüngung beim Hamburger SV. Borussia Dortmund ist Vorbild.

Hamburg. Falls es noch nicht alle mitbekommen haben sollten: Der HSV verfolgt "eine Mission". Wirklich! Nachzulesen auf der Homepage des HSV im Internet. "Der HSV findet zurück zu alter Stärke und entfaltet sein volles Markt- und Markenpotenzial", heißt es dort, "er etabliert sich zielstrebig und dauerhaft unter den Top 5 der Bundesliga und wird mittelfristig zur festen deutschen Größe in der Champions League." Der HSV soll aber nicht nur mit sportlichem Erfolg und stetigem Wachstum bei wirtschaftlich solidem Handeln glänzen: "Am wichtigsten aber: Der HSV wird Marktführer der Herzen - er bietet seinen Mitgliedern eine emotionale Heimat und begeistert seine Fans durch Leidenschaft und Identifikation." Eine durchaus ehrenhafte Mission, die allerdings kaum etwas mit der Realität zu tun hat.

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Mit dem Herzen im Fußball ist es ja sowieso eine Sache. Bleiben Siege dauerhaft aus und werden Kritiken schärfer, werden mangelhafter Wille oder unzulängliche Leidenschaft gerne mit dem Fehlen jenes Organs umschrieben. Ein vernichtenderes Urteil für eine Mannschaft gibt es kaum - vor allem, wenn es vom eigenen Trainer kommt, weil immer der Vorwurf mitschwingt, die Spieler hätten nicht alles gegeben.

Nachdem der HSV beim 0:2 in Dortmund im wörtlichen Sinne chancenlos geblieben war, wählte Armin Veh Worte, die genau danach klangen. "Wir müssen daran arbeiten und immer wieder versuchen, Herz zu zeigen. Das klingt vielleicht populistisch. Aber das ist so." Was der Trainer der Hamburger genau damit meinte? "Wir hätten mutiger auftreten müssen. Gegen einen Tabellenführer, der mit Tempo und Laufbereitschaft agiert, hätten wir auch Leidenschaft zeigen und versuchen müssen, Nadelstiche zu setzen. Der Sinn des Fußballs ist es, sich Torchancen zu erspielen. Das war mir in Dortmund zu wenig. Der kleine Son, der hat Herz gezeigt. Das möchte ich auch von den anderen Spielern sehen."

Es wäre jedoch falsch, Vehs Worte darauf zu reduzieren, er habe den Charakter seiner Mannschaft, der häufiger kritisch beäugt wurde, generell infrage gestellt. "Ich sage nicht, dass die Mannschaft, die auf dem Platz stand, diese Eigenschaften nicht zeigen kann", präzisierte der HSV-Coach denn auch und sprach davon, dass das Team ja schon phasenweise (wie gegen Hoffenheim) jenes ominöse Herz gezeigt habe. Bastian Reinhardt indes ("Das kann man so nicht sehen") mochte den Vorwurf der fehlenden Leidenschaft, auch was das Dortmund-Spiel betraf, nicht bestätigen. Stattdessen lobte der Sportchef des HSV den BVB fast ehrfürchtig: "Dass wir zu so wenigen Möglichkeiten kamen, war auch der Klasse des Gegners geschuldet. Wir hätten nur dann eine Chance gehabt, wenn alle Spieler unseres Kaders topfit gewesen wären."

Dennoch ergeben sich aus der Veh-Schelte etliche Fragen. Wie zum Beispiel die, ob sich der Trainer indirekt damit nicht auch selbst kritisierte, schließlich ist er verantwortlich dafür, sein Team mit der richtigen Einstellung in eine Partie gehen zu lassen. Und rückt nicht ein Übungsleiter auch von seinen Spielern ab, wenn er sie öffentlich in dieser Form angeht?

"Ein Trainer hat alle Rechte, er kann Ansprüche geltend machen, dass ein Spieler seine mögliche Leistung auch abruft", glaubt Willi Schulz, seit vielen Jahren ein treuer Beobachter der HSV-Spiele. Das 2:1 gegen Hoffenheim verfolgte der 66-fache deutsche Nationalspieler auf der Tribüne, die Partie gegen die Borussen sah der frühere Aufsichtsrat im TV. "Entscheidend ist, dass die vom Trainer angesprochenen Dinge auch ankommen. Die kommenden Spiele werden das zeigen."

Für den 72-Jährigen gibt es vor allem zwei Faktoren, warum der HSV wieder droht, im Mittelmaß zu versinken, statt seine Mission zu erfüllen: "Die vielen Ausfälle sind nicht wegzudiskutieren. Was häufig vergessen wird, ist die Tatsache, dass ein Spieler nach längerer Verletzungspause eine gewisse Anlaufzeit benötigt und sich noch lange nicht in Bestform befindet."

Das ungleiche Kräftemessen in Dortmund hätte, so Schulz, für den HSV auch etwas Positives gehabt: "Man hat gesehen, wo wir hinmüssen, und zwar in jeder Hinsicht. Es wird höchste Zeit, dass der Umbruch eingeleitet wird. Die Mannschaft ist, vorsichtig formuliert, in die Jahre gekommen. Und ein 30-Jähriger braucht für das Auskurieren eines Blutergusses nun mal länger als ein 20-Jähriger." Seinem Klub wünscht Schulz dabei ein glücklicheres Händchen als in der jüngsten Vergangenheit.

Von welchen Spielern sich der HSV am Saisonende trennen sollte, ließ Schulz offen. Wer zu Beginn der Serie 2011/12 jenseits der 30 sein wird, steht jedoch fest: Ruud van Nistelrooy (dann 35), Zé Roberto, 37, Frank Rost, 38, David Jarolim, 32, Mladen Petric, 30, Joris Mathijsen, 30, Guy Demel, 30, Collin Benjamin, 33 - und Jaroslav Drobny, 31.