Nach dem 0:0 im letzten HSV-Heimspiel gegen Mainz 05 feierten Spieler und Fans die Rettung und verabschiedeten Jarolim, Petric und Castelen.

Hamburg. Noch ein letztes Mal, nach dem 0:0 gegen Mainz 05 und dem geschafften Klassenerhalt des HSV, stand David Jarolim vor der voll besetzten Nordtribüne, im Arm mit seiner 19 Monate jungen Tochter Ella. Mit feuchten Augen schnappte sich der Tscheche das Stadionmikrofon und rief den Fans zu: "Ich werde euch nie vergessen, ihr bleibt in meinem Herzen. Danke für alles!" Es war der Höhepunkt einer im Volkspark selten erlebten Abschiedsparty. Nach neun Jahren Dienstzeit für die Hamburger sagte Jarolim "Tschüs", genau wie Mladen Petric und Romeo Castelen. Bereits lange vor seiner Auswechslung in der 89. Minute war Jarolim bei jedem Ballkontakt mit lautstarken Sprechchören gefeiert worden.

"Schon der Weg ins Stadion war ein ganz schwerer Moment für mich, weil ich wusste, dass es das letzte Mal sein wird für mich", sagte Jarolim wenige Minuten später. "Aber irgendwann geht jede Reise zu Ende." Auch Mladen Petric, der mit seiner dreijährigen Tochter Melina-Charlize die Welle anstimmte, schämte sich seiner Tränen nicht: "Es war ein absolut emotionaler Moment, überragend." Und weiter: "Ich hatte in Hamburg eine geile Zeit, aber auch sehr bittere Niederlagen."

In welchem Trikot die scheidenden HSV-Profis in der kommenden Saison auflaufen werden, blieb am Wochenende offen. Doch Jarolim, der in der Bundesliga bleiben will, dachte im Moment des Abschieds auch an die Zukunft: "Den Traum, wieder zum HSV zurückzukehren, vielleicht als Trainer, den hat jeder. Aber jetzt will ich noch ein paar Jahre spielen." Petric berichtete, dass sein Berater Volker Struth viel unterwegs gewesen sei und er nun in den kommenden Tagen und Wochen mit seiner Familie besprechen werde, wo er seinen nächsten Vertrag unterschreibe. Dabei spielen neben sportlichen vor allem private Gesichtspunkte eine Rolle.

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So bewegend die Szenen nach dem Spielende waren, so hartnäckig mussten die HSV-Anhänger zuvor 90 Minuten lang dagegen ankämpfen, angesichts der dürftigen Darbietungen ihrer Mannschaft gegen die Mainzer nicht in heftige Depressionen zu verfallen. Als Höhepunkte waren die Einblendungen der Freiburger Tore gegen den Tabellen-16. 1. FC Köln auf den Anzeigetafeln zu nennen. Aber was an diesem Nachmittag zählte war, dass der HSV trotz mehrerer ungenügender Arbeitsnachweise gerade noch die Versetzung in die 50. Bundesligasaison geschafft hat. "Der Dino lebt weiter. Gott sei Dank", fasste der frühere Kultmasseur Hermann Rieger in wenigen Worten das Positive treffend zusammen.

Das Zeugnis für die HSV-Mannschaft fällt, dies kann vor dem bedeutungslosen letzten Auswärtsspiel beim ebenfalls geretteten FC Augsburg am kommenden Sonnabend festgestellt werden, in vielen Fächern verheerend aus. Insofern war die Partie gegen die Rheinhessen ein Abziehbild der Saison. Vielleicht war es ganz gut so, dass der HSV zum Abschluss keinen Sieg feiern konnte, weil dadurch die Defizite lebhafter in Erinnerung bleiben.

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Die Note gut konnte nur im Betragen verliehen werden. Was aber die Kategorien Laufintensität, Tempo im Spiel, technische Raffinesse, taktisches Verhalten oder Torhunger betrifft, wurden teilweise neue Tiefststände erreicht. Spielerisch war der Auftritt gegen Mainz so armselig, dass selbst Kapitän Heiko Westermann später auf Glückwünsche für den Klassenerhalt sarkastisch antwortete: "Glückwunsch für einen Grottenkick ..."

Ein Blick auf einige wenige Statistiken genügt, um die Leistungen des HSV in dieser Saison richtig einordnen zu können. Nur drei Heimsiege (bei sieben Unentschieden und sieben Niederlagen) gab es für die im Schnitt 53.240 Zuschauer zu bejubeln, sowie 19 Tore, im Schnitt 1,12 pro Spiel. Sollte dem HSV beim geretteten Aufsteiger kein Sieg gelingen, stünde mit 36 bzw. 37 Punkten die schlechteste Ausbeute seit 1963 fest. Bei einer Niederlage würde das Team sogar noch auf Rang 15 der Bundesliga-Tabelle rutschen. Die schlechteste Platzierung (Platz 14) datiert bisher aus den Spielzeiten 1972/73 und 1966/67.

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Mit der Punkteausbeute unter Trainer Thorsten Fink (29 Punkte in 24 Spielen), der das Team nach dem neunten Spieltag übernahm, wurde gerade so das Minimalziel erzielt - auch deshalb, weil sich die Konkurrenz aus Köln, Berlin und Kaiserslautern noch schwächer präsentierten. Dass die HSV-Fans einmal im Chor "Niemals, Zweite Liga" anstimmen müssten, um etwas Freudiges kommentieren zu können, spricht ebenfalls dafür, dass zwar das Klassenziel erreicht, der Anspruch des HSV aber deutlich verfehlt wurde.

Nach dem Mainz-Spiel genehmigten sich die vom Druck der vergangenen Monate befreiten Trainer und Spieler erst einmal ein paar verdiente Biere, das nächste Training ist erst für den Dienstag angesetzt. "Wir haben uns nicht nervös machen lassen, sondern unser Ding gemacht", freute sich Fink und bedankte sich bei der großen Unterstützung innerhalb des Vereins. "Man hat gesehen, dass Teamwork alles ist. Wir sagten uns: Wir schaffen alles gemeinsam. Das war unser Plus im Abstiegskampf."

Während die Spieler und auch der Trainer durchatmen dürfen, geht die Arbeit für den Vorstand nun richtig los, da mit der Rettung gegen Mainz die neue Saison quasi begonnen hat . "Ich wünsche dem HSV ein wenig mehr Konstanz, vor allem mehr Ruhe im Vorstand und im Aufsichtsrat", sagte Jarolim noch, und Petric ergänzte: "Ich hoffe, dass sich der HSV für die kommende Saison gut verstärkt. Jetzt ist die Zeit des Umbruchs vorbei. Nächste Saison darf der HSV nicht in Abstiegsgefahr geraten."