Für den HSV-Trainer ist Ballbesitz alleine nicht mehr entscheidend. Der aussortierte Bruma soll gegen Leverkusen wieder spielen.

Hamburg. Viel Ballbesitz, eigene Spielkontrolle, agieren statt reagieren - die taktische Marschroute von HSV-Trainer Thorsten Fink war seit seinem Amtsantritt wie eingemeißelt. Anfangs auch erfolgreich, zuletzt nicht mehr. Am vergangenen Sonnabend siegten die Hamburger nach langer Durststrecke mit 1:0 in Kaiserslautern , obwohl die sonst immer angestrebte Dominanz im Spiel weder zu erkennen, noch gewollt war. "Wir haben pragmatisch gespielt, waren zu den richtigen Zeitpunkten an den richtigen Stellen", erklärte Fink in der Nachbetrachtung, nachdem er die Partie am Montag noch einmal intensiv per Video analysiert hatte.

Ausgerechnet gegen den Tabellenletzten kam der HSV nur auf 47 Prozent Ballbesitz - ein Wert, den der Bundesliga-Dino in der Vergangenheit selbst gegen deutlich höher platzierte Teams regelmäßig überbot. Dafür gewann der HSV die Mehrzahl der Zweikämpfe (55 Prozent) und bot auch läuferisch eine Top-Leistung. "Mir war klar, dass Kaiserslautern Schwierigkeiten hat, das Spiel zu machen, zudem wollte ich unbedingt Konter des Gegners vermeiden. Ich habe weiter nichts gegen eigenen Ballbesitz, aber andere Dinge sind momentan wichtiger", sagte Fink weiter. Zu diesen gehörten die Präsenz bei Standards und Flanken in der Defensive, die Zielstrebigkeit beim Torabschluss und der bedingungslose Einsatz. "Mit der spielerischen Leistung war ich natürlich nicht zufrieden, die Nervosität war merklich groß." Auch wenn Leverkusen die zweifellos besseren Einzelspieler als Kaiserslautern habe, wolle der Coach am Sonntag (17.30 Uhr) am neuen, abwartenderen Auftritt seines Team festhalten. "Wir waren erfolgreich, es wäre das falsche Zeichen gegenüber der Mannschaft, taktisch jetzt großartig etwas zu verändern."

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Mit gemischten Gefühlen hat Fink den Trainerwechsel in Leverkusen aufgenommen. Das könne ein Nachteil für den HSV sein, müsse es aber nicht. Die Statistik dieser Saison bestätigt ihn: Sieben Bundsligaklubs haben bereits den Trainer gewechselt, doch nur auf Schalke (Huub Stevens) und in Freiburg (Christian Streich) stellte sich unter den neuen Übungsleitern auch der gewünschte Erfolg ein. Die Vorbereitung auf den Gegner ist unter diesen Umständen jedoch komplizierter. Auf welche Spieler und taktische Formation das neue Duo Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski in der Imtech-Arena setzen wird, ist ungewiss. Um dennoch optimal vorbereitet zu sein, soll ein HSV-Scout jedes Bayer-Training in dieser Woche vor Ort verfolgen.

Auch von diesen Eindrücken wird es abhängen, wen Fink in seine Startelf beordert. Der 44-Jährige will sich nicht zu früh festlegen, sondern die Trainingswoche abwarten. Doch an Ideen mangelt es ihm nicht. "Jacopo Sala ist wieder eine Option als Rechtsverteidiger, aber auch Jeffrey Bruma könnte dort den verletzten Dennis Diekmeier ersetzen. Ich kann mir Bruma aber auch im defensiven Mittelfeld vorstellen, da wir gegen Leverkusen körperliche Präsenz und Kopfballstärke benötigen und er diese Position in England auch schon gespielt hat." In der Zentrale fallen mit dem verletzten Tomas Rincon (Schienbein) und dem gesperrten Gojko Kacar zwei Kandidaten aus, erster Nachrücker wäre sonst Per Cilian Skjelbred. Fink betonte, dass Bruma gegen Kaiserslautern keinesfalls aufgrund mangelnder Einstellung im Abstiegskampf aus dem Kader gestrichen wurde, sondern aus taktischen Überlegungen. Nun scheint er wieder erste Wahl zu sein.

Nicht die erste Wahl, aber immerhin wieder eine Option für den Gegner aus Leverkusen ist Torwart Rene Adler. Der vom HSV umworbene Schlussmann gibt heute Abend sein Comeback nach elfmonatiger Verletzungspause. Zunächst zwar nur in der Regionalliga gegen den VfL Bochum, aber theoretisch könnte Adler gegen den HSV am Sonntag auf der Bank sitzen. Nach der Rückkehr ins Mannschaftstraining war der ehemalige Nationalkeeper noch ein wenig unsicher. "Schüsse, Flanken, Sprünge. Jetzt muss sich mein Körper erst mal wieder ans Fallen gewöhnen", sagte Adler, der seinen Rückstand offenbar schnell aufgeholt hat - denn er wurde für seinen überraschend guten Fitnesszustand in den letzten Tagen von allen Seiten gelobt. Das hört der HSV sicherlich gerne, der jedoch noch immer auf die Unterschrift Adlers wartet. "Bis Mitte April muss er sich entscheiden", hatte Sportchef Frank Arnesen unlängst gesagt. Doch aus Leverkusen ist zu vernehmen, dass Adler nicht sich, sondern den HSV am Zuge sieht, sich zu entscheiden. Da scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein.

Dass Adler in Hamburg wirklich auf der Bayer-Bank sitzen wird, ist eher unwahrscheinlich. Umso wahrscheinlicher dagegen ist es, dort Michael Ballack anzutreffen. Der ehemalige DFB-Kapitän steht nach seinem Muskelfaserriss vor der Rückkehr in den Kader. Gestern sagte er, seine Mannschaft müsse nach fünf Pflichtspielpleiten in Folge Gas geben, sie stehe in der Pflicht, es gäbe nun keine Ausreden mehr. Worte, die so oder so ähnlich auch von Hamburger Profis wochenlang zu vernehmen waren - einzig an der Umsetzung haperte es viel zu oft.