"Herr Matz, Mensch, Sie immer mit Ihren Amateuren, Amateuren, Amateuren. Hören Sie auf damit, die können uns auch nicht helfen ..." Ich weiß es noch wie heute, wann diese Sätze fielen. Was heißt fielen, sie wurden mir in den Katakomben des Stuttgarter Neckarstadions an den Kopf "gedonnert". Absender war HSV-Trainer Willi Reimann, und das geschah am 27. August 1988. Der HSV hatte gerade sein Bundesligaspiel gegen Aufsteiger Stuttgarter Kickers mit 0:2 verloren, und ich wagte fünf Minuten nach dem Schlusspfiff, dem Coach zwei Amateure als Alternative vorzuschlagen. Grund meines Vorstoßes: Sturmflaute im Angriff. Ich empfahl Reimann, als Labbadia, Furtok, Bierhoff, Klaus und Merkle in Liga eins HSV-Tore schießen sollten (und es kaum taten), Marcus Marin und Jens Fischer zu den Profis zu holen. Marin gab sein Bundesligadebüt am 15. April 1989, beim 3:2 gegen Nürnberg.

Amateure, Amateure, Amateure. Irgendwann hat sie einst jeder Profitrainer des HSV wegen Personalmangels benötigt. Der wohl prominenteste Fall: Am 11. Dezember 1963 fehlte ein Rechtsaußen, ausgerechnet im Europapokalspiel gegen Barcelona. Deshalb gab der 19 Jahre alte Amateur Bernd Dörfel sein Debüt bei Uwe Seeler und Co. Das Spiel endete zwar 0:0, aber der HSV kam dank eines 4:4 im Hinspiel weiter - und Bernd Dörfel hatte sich mit diesem Profieinsatz "festgespielt". So etwas hat es lange nicht mehr gegeben. Die (personelle) Not war wohl nie groß genug. Es gab aber immerhin Namen wie Baich, Copado, Kovacevic, Riegel, Rose, Lüttkenhaus, Salihamidzic oder Weetendorf, die es von "unten" nach oben schafften - wenn auch einige nur für ein, zwei Kurzeinsätze.

Und im neuen Jahrtausend? Da gab es Spieler wie zum Beispiel Leonhard Haas, Alexander Laas, Oliver Hampel, Eren Sen, Charles Takyi und Volker Schmidt, die ihre Chancen bekamen, aber nicht sehr viel daraus machen konnten. Außerdem gab es Änis Ben-Hatira, Tunay Torun und vor allen Dingen Collin Benjamin, der HSV-Publikumsliebling wurde. Und es gab auch René Klingbeil, der unter Thomas Doll benötigt wurde und dann einige Zeit bei den Profis blieb. Klingbeil ist heute Kapitän bei Erzgebirge Aue.

Warum ich diese Spieler alle aufführe? Weil ich derzeit eine gewisse personelle Not beim HSV erkennen kann. Speziell im Angriff. Da gibt es zwar mit Mladen Petric einen namhaften Torjäger, aber die Fans mäkeln mehr und mehr an dem Kroaten, der den Klub verlassen wird, herum. Und außer Petric sehe ich keinen Stürmer, der dem HSV jetzt und sofort helfen könnte. Heung Min Son ist von der Rolle, Marcus Berg ist fast abgetaucht, Paolo Guerrero hat sich selbst aus dem Verkehr getreten. Deswegen wäre mein Vorschlag: Versucht es doch jetzt mal (über die Bank) mit einem hungrigen, lebendigen und willigen Amateur (zum Beispiel Stürmer George Kelbel). Es wäre in meinen Augen einen Versuch wert, und schlechter wird es mit ihnen garantiert nicht laufen. Obwohl ich natürlich weiß, dass Trainer Thorsten Fink nichts von Spielern aus der Zweiten wissen will. Ich sage aber: noch nicht.