Vor dem Duell spricht Freiburgs Trainer Christian Streich über Zögling Aogo, Konkurrenz im Abstiegskampf und seinen Vater, der HSV-Fan ist

Hamburg. Schenkt man Dennis Aogo Glauben, dann ist Freiburgs Trainer Christian Streich ein "Fußballbesessener", einer, der "ein unglaubliches Fachwissen" hat, und einer, der manchmal "vor Emotionen zu explodieren droht". Laut Aogo, der unter dem so Hochgelobten in Freiburgs A-Jugend trainiert hatte, war es ebenjener Streich, der dem jungen Dennis "die Augen geöffnet hat". Höchste Zeit also, beim Tausendsassa aus Freiburg mal etwas genauer nachzufragen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Streich, Dennis Aogo hat behauptet, Sie seien ein verrückter Trainer. Sind Sie verrückt?

Christian Streich:

Letztens hat mich ein Sportmagazin als "verrücktesten Trainer" der Bundesliga bezeichnet, weil ich mit dem Fahrrad zum Training fahre. Nun wohne ich 300 Meter vom Stadion entfernt. Verrückt wäre ich wohl, wenn ich diese 300 Meter mit dem Auto fahre.

Mit Verlaub, aber im Fernsehen wirken Sie manchmal am Spielfeldrand wirklich ein wenig "verrückt", als ob Sie in eine Steckdose gegriffen haben.

Streich:

Das wirkt nur so, weil ich einen natürlichen Wirbel auf dem Kopf habe und kein Gel benutze. Aber im Ernst: Manchmal bin ich auch ein wenig erschrocken, wenn ich mich später im Fernsehen sehe. Ich kann aber nicht anders, ich bin bei den Spielen emotional.

Fühlen Sie sich manchmal beobachtet?

Streich:

Natürlich fühle ich mich beobachtet. Ich kann ja auch nichts dagegen machen, wenn ich plötzlich auf meinem 300-Meter-Fahrradweg fotografiert werde. Das gehört nun mal dazu.

Bringt der plötzliche Ruhm nicht auch ein wenig Spaß?

Streich:

Man fühlt sich geschmeichelt. Ich muss schon zugeben, dass auch ich eitel bin. Wahrscheinlich sind die meisten in diesem Geschäft ein wenig eitel.

Dabei wollten Sie zunächst gar kein Bundesligatrainer werden.

Streich:

Das ist eine lange Geschichte.

Erzählen Sie uns die Kurzversion?

Streich:

Ich bin schon so lange beimSC Freiburg, dass ich diesem Verein und den Menschen im Verein gegenüber eine große Verantwortung empfinde. Das ist der Grund, warum ich zunächst abgesagt habe, und das ist auch der Grund, warum ich es dann doch gemacht habe. Bis ins letzte Detail habe ich alles abgewogen.

Ist der Umgang mit den Profis denn ein ganz anderer als der Umgang mit den A-Jugend-Spielern?

Streich:

Der Umgang ist eigentlich gleich. Der Unterschied ist einfach, dass die Profis meist etwas älter sind.

Wollen Sie Ihre Spieler auch abseits des Fußballfeldes erziehen?

Streich:

Ich will niemanden erziehen. Aber ich erlaube mir, den Jungs mal einen Hinweis zu geben. Es geht doch darum, die Jungs zu begleiten. Man kann schon mal erwähnen, dass es mir gutgetan hat, das eine oder andere Buch gelesen zu haben. Auch den Besuch eines Konzerts oder eines Theaterstücks erlaube ich mir zu empfehlen.

Aogo hat gesagt, Sie hätten ihm die Augen geöffnet. Was haben Sie gemacht?

Streich:

Ich habe überhaupt nichts Spezielles gemacht. Wir haben uns einfach nur unterhalten, oft und gut.

Sind Sie von seinem Weg überrascht?

Streich:

Ich muss zugeben, dass ich ihm diese Karriere so nicht zugetraut habe. Obwohl ich Dennis immer für einen sehr talentierten Jungen gehalten habe, hätte ich damals nicht gedacht, dass er Nationalspieler wird, der nun auch beste Chancen hat, bei der EM dabei zu sein. Er kann stolz auf sich sein.

Sind Sie auch stolz auf sich?

Streich:

Ich bin eitel, aber nicht stolz. Dennis hat das ganz alleine geschafft. Es freut mich einfach, dass er ein so guter Fußballer geworden und immer noch ein so guter Kerl ist.

Woran liegt es, dass Freiburg immer wieder so viele Talente herausbringt?

Streich:

Vielleicht haben wir ein wenig mehr Ruhe hier als anderswo. Ganz wichtig ist, dass wir nicht nur gute Trainer haben, sondern auch richtig gute Pädagogen. Für sie ist es eine Lebensaufgabe, die Jungs zu begleiten. Und wir reduzieren die Jungs nicht darauf, nur ein Fußballtalent zu sein.

Der HSV hat gerade für 500 000 Euro zwei ausländische Talente verpflichtet. Sind Sie auf derartige finanzielle Möglichkeiten neidisch?

Streich:

Manchmal bin ich auch ein wenig neidisch, aber derartige Summen wird der SC Freiburg einfach nie zahlen können. Trotzdem werde ich jetzt keine Steine schmeißen, solange ich im gleichen Glashaus sitze.

Ist der HSV für Sie überhaupt ein direkter Konkurrent im Abstiegskampf?

Streich:

Nein. Der HSV ist viel zu gut, um bis zum Saisonende unten drinzubleiben. Der HSV isch doch a Wahnsinnsverein mit einer unglaublichen Historie. Mein Vater wohnt an der Schweizer Grenze in Lörrach, also 800 Kilometer von Hamburg entfernt. Und seit Kindestagen ist er großer HSV-Fan. Seeler, Nogly, Kaltz, Magath. Wenn man diese Namen hört, dann weiß man, dass so ein Verein nicht absteigen wird.