Der Tscheche David Jarolim möchte für lange vermisste Ruhe im Team sorgen - Boateng und Elia sind trotz Wirbels umworben.

Hamburg. Als David Jarolim gestern Mittag knapp anderthalb Stunden vor Trainingsbeginn an der Nordbank-Arena vorfuhr, wurde schnell klar, dass der Kapitän des HSV gesteigerten Redebedarf hatte - sowohl intern als auch extern. Statt mit dem üblichen Lächeln durchschritt der Tscheche die Buseinfahrt in Richtung der Kabinen mit ernster Miene, um vor den wartenden Medienvertretern stehen zu bleiben. "Mich nervt das Bild, das derzeit in der Öffentlichkeit vom HSV entsteht", polterte Jarolim, der ankündigte, auch im Mannschaftskreis die Vorkommnisse der vergangenen Tage anzusprechen: "Wir sind hier nicht beim Ballett, wo sich alle lieb haben müssen."

Was Hamburgs Kapitän so ärgert, sind die Berichte unzufriedener Spieler und die damit verbundene Außendarstellung des Vereins. So hatte zunächst Eljero Elia im Abendblatt über den unbefriedigenden Verlauf seiner Knöchelverletzung geklagt, anschließend die "Bild"-Zeitung von einer mutmaßlichen Rangelei zwischen Stürmerstar Ruud van Nistelrooy und Talent Tunay Torun berichtet und schließlich auch Piotr Trochowski via "Sportbild" seine Frustration zum wiederholten Mal kundgetan. "Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist Theater", mahnte Jarolim, der sich die "Problemfälle" gezielt vornehmen will.

Ein Vieraugengespräch mit Elia, der nach Angaben der "Mopo" von Bayern München umworben sein soll, kann sich der HSV-Routinier allerdings sparen. Der Niederländer, dessen Berater Frank Schouten bereits mit den Münchner Verantwortlichen über einen Wechsel gesprochen haben soll, musste nach seiner öffentlichen Kritik bereits gestern zum Rapport, erhielt für seine deutlichen Worte eine ebenso deutliche Geldstrafe. "Elia war sehr einsichtig", bemühte sich Vorstandsfrau Katja Kraus anschließend um Deeskalation.

Doch auch ohne mediale Kopfwäsche ist der HSV-Vorstand über die zunehmend öffentlich zur Schau gestellte Unzufriedenheit alles andere als besänftigt. So hat man sich intern längst darauf geeinigt, dass gemeinsam mit Trainer Bruno Labbadia und dem designierten Sportchef Urs Siegenthaler der gesamte Kader im Sommer auf den Prüfstand gestellt wird: Wer sportlich oder charakterlich nicht ins Anforderungsprofil passt, soll - für eine entsprechende Ablöse - gehen. Dabei wird nach Abendblatt-Informationen auch vor mutmaßlichen Leistungsträgern, die zuletzt aber mehr durch Worte als durch Taten auffielen, nicht haltgemacht. Das gilt zum einen für Spieler, die aktuell oder in der Vergangenheit mit anderen Vereinen kokettierten (Eljero Elia, Zé Roberto, Mladen Petric, Jonathan Pitroipa, Guy Demel), zum anderen für Profis, die sich nicht zu einem klaren Bekenntnis zum Klub durchringen können (Jerome Boateng, der von Manchester City umworben wird, Paolo Guerrero), und auch für diejenigen, bei denen die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit auseinandergeht (David Rozehnal, Piotr Trochowski).

Eine Trainerdebatte soll dagegen nicht geführt werden. "Wir sind noch im Viertelfinale der Europa League, haben zudem noch beste Chancen, uns in der Bundesliga erneut für die Europa League zu qualifizieren", beantwortet Jarolim die Frage nach der Verantwortlichkeit Bruno Labbadias diplomatisch. Viel mehr Diplomatie durfte man gestern allerdings nicht erwarten. Geredet wurde ohnehin genug, jetzt soll gehandelt werden.