London. Es ist wahrscheinlich das Schicksal eines außergewöhnlichen Torjägers, dass ausgerechnet ein folgenreicher Fehlschuss am stärksten in Erinnerung bleiben muss. Im September 2003 hämmerte Ruud van Nistelrooy beim Spitzenspiel zwischen Manchester United und Arsenal (0:0) in der Nachspielzeit einen Elfmeter an die Latte von Jens Lehmanns Tor. Jubelnde Spieler des Londoner Klubs umzingelten darauf den Niederländer, Arsenal-Verteidiger Martin Keown verpasste ihm einen Ellbogenschlag. Für die "Gunners" hatte van Nistelrooy zuvor eine Rote Karte für Kapitän Patrick Vieira provoziert.

Die heute noch häufig im britischen Fernsehen gezeigte Szene markierte den Beginn einer wunderbaren Feindschaft. Ein Jahr später, beim 2:1-Sieg von United, geriet van Nistelrooy wieder mit Lehmann und Vieira aneinander, für ein Foul an Ashley Cole wurde der Stürmer in Nachhinein drei Spiele gesperrt. "Ich entschuldige mich, ich hatte nicht die Absicht, ihn zu verletzen", teilte van Nistelrooy mit. Für Arsenal-Coach Arsène Wenger aber war klar: "Wir alle wissen, wie sich Ruud van Nistelrooy benimmt."

Die eine oder andere Schwalbe sorgte in der Tat dafür, dass van Nistelrooy in seinen fünf Jahren in England trotz einer unglaublichen Bilanz von 150 Toren in 219 Spielen nur bei den Manchester-United-Anhängern zum Helden wurde. Dem Mann aus Geffen war das jedoch egal: Er wollte immer nur Tore schießen. In der Premier League reüssierte er mit schnörkellosem, effizienten Spiel. Schon bevor ihn 2004/05 eine Achillessehnenverletzung einen Teil seiner Anrittsschnelligkeit kostete, war er nie einer, der mit dem Ball am Fuß die Gegner reihenweise stehen ließ; er erlegte seine Beute mit Vorliebe aus nächster Nähe. Im Fußball-Lexikon müsste unter "Strafraumstürmer" eigentlich sein Bild stehen.

Nach seinem 28-Millionen-Euro-Wechsel vom PSV Eindhoven ins Old Trafford im Sommer 2001 wurde er sofort ein Superstar, blieb im Herzen aber ein Fan. Nur mit viel Mühe, erzählte er später, habe er sich beim ersten Training verkneifen können, David Beckham um ein Autogramm zu bitten. "Van the Man", wie ihn der Boulevard taufte - auf "Ruud" reimte sich nichts - führte Alex Fergusons Team in seiner zweiten Saison mit 25 Ligatoren zur Meisterschaft. Es sollte seine einzige bleiben.

2005/06 erzielte van Nistelrooy zwar noch 19 Tore, war aber kein Stammspieler mehr. Sogar im Ligapokalfinale gegen Wigan musste der treffsicherste Schütze in der Geschichte des Vereins zusehen. Als er im letzten Saisonspiel gegen Charlton nicht einmal mehr im Kader stand, reiste er drei Stunden vor dem Anpfiff ab.

Ruud van Nistelrooy, erfuhr man später, war im Training mit Ronaldo aneinandergeraten. Ferguson entschied sich für den Portugiesen. Und Ruud musste gehen.