Hamburg. Seinen typisch rheinländischen Humor hatte Marcell Jansen auch nach anderthalb Stunden Wartezeit nicht verloren. Als ein Ordner um kurz nach 19 Uhr einen Getränkewagen mit Wasser, Limonade, Bier und alkoholfreiem Bier durch die Katakomben zum Ausgang schob, nutzte der gebürtige Gladbacher, der gerade die Dopingprobe überstanden hatte, die Steilvorlage prompt. "Das habe ich alles getrunken", sagte Jansen grinsend, "nur das alkoholfreie Bier nicht."

Anders als bei der "wahrscheinlich längsten Dopingprobe meines Lebens", bei der Jansen einfach nicht so konnte, wie er sollte, gelang dem 24-Jährigen im vorangegangenen Spiel gegen Freiburg, wo er einfach nur so sollte, wie er konnte, beinahe alles. Jansen wirbelte, schoss, flankte, grätschte - und traf. Nur sechs Minuten brauchte der frühere Bayernstar, um mit einem wuchtigen - aber trotz einer Geschwindigkeit von 104 km/h haltbaren - Außenristschuss den Sieg zu ebnen. Wie zu seinen besten Zeiten, als er auch in der Nationalmannschaft als gesetzt galt, beackerte der Wahl-Winterhuder Hamburgs linke Seite. "Ich weiß, dass ich kein Blinder bin", erklärte Jansen später seine Glanzvorstellung mit ungewohnt wenigen Worten. Die Vorbereitung sei sensationell gewesen, er fühle sich topfit und gegen Freiburg habe nun mal alles gepasst. So einfach ist das eben.

Ganz so einfach ist es aber natürlich nicht. Kaum ein Spieler lebt derart von seiner Physis wie Jansen. "Wenn Marcell fit ist, ist er ein ganz wichtiger Spieler für uns", lobt auch Trainer Bruno Labbadia. Und während der 30-fache Nationalspieler zu Saisonbeginn immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde, gilt er spätestens nach seinen ersten Saisontreffer im Spiel gegen Hannover 96 am zwölften Spieltag als einer der konstantesten HSV-Profis, der plötzlich sogar zum Torjäger mutiert: In den vergangenen drei Spielen traf Jansen dreimal und bereitete weitere drei Treffer vor. Eine beeindruckende Statistik für einen, der sich angeblich noch wohler auf der Position des Linksverteidigers fühlt: "Ich kenne meine Stärken, kann beide Positionen spielen - auch in der Nationalmannschaft."

Das "auch" kann Jansen im WM-Jahr getrost durch ein "besonders" ersetzen. An dem Hamburger dürfte auf der linken Seite - egal ob hinten oder vorne - kaum ein Weg im Nationalteam vorbeiführen. "Ich habe dem DFB viel zu verdanken, bin seit der U-18-Nationalmannschaft immer dabei. Aber nach 30 Länderspielen brauche ich mich auch nicht mehr verrückt zu machen", sieht er den wenigen Monaten bis zur endgültigen Nominierung des WM-Kaders für Südafrika gelassen entgegen. "Ich möchte ungern nach jedem guten Spiel von mir darüber diskutieren", bittet Jansen, der sich keine Sorgen machen braucht. Spielt er weiter auf diesem Niveau, gibt es für Bundestrainer Joachim Löw ohnehin nichts zu diskutieren.