Der Trainer über seine hohen Erwartungen an den zuletzt schwächelnden Nationalspieler und seine Lust auf Tage der Besinnung.

Hamburg. Die Nacht nach dem Derbysieg gegen Bremen war auch für Bruno Labbadia kurz. Mit ein paar Minuten Verspätung erschien der HSV-Trainer um kurz vor 9.30 Uhr zum Gesprächstermin in der Nordbank-Arena und schenkte sich erst mal einen starken Kaffee ein. Er habe am Vorabend den Derbytag noch mit ein paar Freunden bei einem Glas Rotwein beschlossen, erklärte Labbadia seinen Koffeinbedarf, ließ es sich aber nicht nehmen, über eine Stunde die Hinrunde zu bilanzieren und einen Ausblick auf die Rückrunde zu geben.

Abendblatt:

Herr Labbadia, nach dem 2:1-Sieg gegen Werder Bremen dürfte einem besinnlichen Weihnachtsfest nicht mehr viel im Wege stehen, oder?

Bruno Labbadia:

Nicht wirklich. Ich habe es sogar geschafft, nach dem Werderspiel die Seele einfach mal baumeln zu lassen. Auch die Fahrt zum Stadion heute war schöner als sonst.

Abendblatt:

Haben Sie gespürt, dass ganz Hamburg erleichtert ist?

Labbadia:

Natürlich sind Derbysiege am Schönsten. Und es freut mich, dass die Mannschaft den Hamburgern ein kleines Weihnachtsgeschenk bereiten konnte. Es bringt derzeit richtig Spaß, in der Stadt unterwegs zu sein. Ich war zum Beispiel am Freitag mit Co-Trainer Eddy Sözer auf dem Weihnachtsmarkt am Rathaus und konnte da die tolle Stimmung bei einem Glühwein genießen.

Abendblatt:

Wie sieht Weihnachten im Hause Labbadia aus?

Labbadia:

Wir bleiben in Hamburg und feiern ganz traditionell mit der Familie. Zu essen gibt es Raclette, später am Abend werden wir wohl auch noch in die Kirche gehen. Ich freue mich richtig auf den Heiligen Abend, für mich ist Weihnachten das schönste Fest des Jahres. Endlich hat man mal die Zeit, in sich zu gehen.

Abendblatt:

Diese Zeit hatten Sie während der turbulenten Hinrunde nur selten. Wie fällt ihr Fazit nach Ihrem ersten halben Jahr in Hamburg aus?

Labbadia:

Es war wirklich ein sehr intensives Jahr mit sehr vielen Höhen und einigen Tiefen. Insgesamt muss man aber bilanzieren, dass wir eine sehr gute Hinrunde gespielt haben. In der Meisterschaft bleiben wir trotz aller Widrigkeiten oben dran, und auch in der Europa League sind wir weiter im Rennen. Ein Wermutstropfen ist nur das ärgerliche Aus im DFB-Pokal.

Abendblatt:

Was hat Sie in Ihren ersten Monaten am meisten überrascht?

Labbadia:

Mich hat schon überrascht, wie schnell die Mannschaft die neue Spielart angenommen hat. Schließlich mussten wir in kürzester Zeit ein neues Spielsystem und eine neue Philosophie einstudieren.

Abendblatt:

Gab es auch einen Spieler, den Sie herausheben möchten?

Labbadia:

Es fällt schwer, einen einzelnen Spieler hervorzuheben. Joris Mathijsen und David Jarolim werden nur selten gelobt, aber es ist schon beeindruckend, auf welchem Niveau sie konstant erstklassige Leistungen bringen. Natürlich haben auch Eljero Elia und Zé Roberto tollen Fußball geboten. Tunay Torun ist in den vergangenen Wochen regelrecht explodiert, und Tomas Rincon ist für mich einer der ganz großen Gewinner dieser Hinrunde. Auch als er lange Zeit keine Möglichkeit hatte, sich auf dem Platz auszuzeichnen, hat er sich in jedem Training reingehängt.

Abendblatt:

Piotr Trochowski scheint dagegen zum Ende der Hinrunde in ein Leistungsloch gefallen zu sein. Was ist los mit ihm?

Labbadia:

Troche ist und bleibt ein sehr wichtiger Spieler von uns. Er ist stark in die Saison gestartet, hatte aber zuletzt nicht mehr die nötige Präsenz. In den vergangenen sieben Wochen war er auf dem Platz nicht konkret genug. Unsere etablierten Spieler, zu denen Piotr zweifellos gehört, haben viele Rechte, sind aber gleichzeitig auch die ersten, die von mir in die Pflicht genommen werden. Vielleicht wird ihm die Pause gut tun.

Abendblatt:

Als Ersatzspieler droht Trochowski, die WM in Südafrika zu verpassen.

Labbadia:

Natürlich ist sein Ziel die WM, aber auf Einzelinteressen kann ich leider keine Rücksicht nehmen. Wenn er das zeigt, was er drauf hat, dann ist er sowohl bei uns als auch im Nationalteam eine feste Größe.

Abendblatt:

Was fordern Sie von ihm?

Labbadia:

Er soll einfach sein Potenzial abrufen und seine Stärken einbringen. Für uns wird es in der Rückrunde von großer Bedeutung sein, einen Trochowski in Topform zu haben. Piotr ist als Führungsspieler beim HSV nicht zu ersetzen.

Abendblatt:

Ersetzen müssen Sie dagegen noch länger den verletzten Paolo Guerrero im Sturm. Werden Sie im Winter auf dem Transfermarkt tätig?

Labbadia:

Vor Weihnachten besprechen wir verschiedene Themen, wobei mögliche Neuzugänge auch diskutiert werden. Die Frage ist, ob es jemanden auf dem Markt gibt, der uns kurzfristig weiterbringen wird und der gleichzeitig auch zu finanzieren ist. Wir haben unseren Spielraum im Sommer bereits sehr ausgereizt.

Abendblatt:

Streben Sie deswegen weiterhin ein Leihgeschäft an?

Labbadia:

Das ist ein Thema, allerdings geben andere Vereine nur ungern gute Spieler in der Winterpause auf Leihbasis ab. Wir werden aber die Augen offen halten.