Guy Demel spielt mit der Elfenbeinküste Mittwoch gegen Deutschland - und muss nach dem Tod von Robert Enke einen Balanceakt schaffen.

Hamburg. Bereits seit Wochen hatte sich Guy Demel auf das Länderspiel zwischen seiner ivorischen Heimat und seiner deutschen Wahlheimat gefreut. Der tragische Tod von Robert Enke wirft nun ein neues Licht auf das Spiel eins nach dem Suizid des Nationaltorhüters. Die Partie dürfte nicht nur für Demel zu einem Balanceakt zwischen persönlichen Emotionen und öffentlichem Anspruch werden. Doch gerade der HSV-Profi weiß, dass es auch nach schlimmen Ereignissen weitergehen muss. Im Abendblatt spricht der Verteidiger, der mit seinen Kollegen anders als ursprünglich geplant erst heute in Düsseldorf landen wird, über den überwundenen Bürgerkrieg an der Elfenbeinküste, die Bedeutung von Fußball in der Heimat seiner Eltern und seinen Freund Didier Drogba.

Abendblatt: Herr Demel, wie viele Interviews mussten Sie geben, seitdem feststeht, dass Sie mit der Elfenbeinküste auf das deutsche Nationalteam treffen?

Guy Demel: Einige. Ich glaube, es müssen so fünf gewesen sein.

Abendblatt: Welche Frage wurde Ihnen am häufigsten gestellt?

Demel: Viele wollten wissen, ob die Partie für mich als Bundesligaprofi ein besonderes Spiel ist. Meine Antwort dürfte klar sein.

Abendblatt: Nach Robert Enkes Suizid fällt es schwer, über Fußball zu sprechen. Trotzdem wollen wir es versuchen: Trifft Deutschland morgen in Gelsenkirchen auf die beste ivorische Nationalmannschaft aller Zeiten?

Demel: Diese Frage musste ich auch oft beantworten. Von den Namen her haben wir sicherlich eine großartige Fußballergeneration: Didier Drogba, Kolo Touré, Yaya Touré, Salomon Kalou. Aber wir sind uns bewusst, dass wir auch etwas gewinnen müssen, um in die Geschichte unseres Landes einzugehen.

Abendblatt: Kann die Elfenbeinküste Weltmeister werden?

Demel: Bei der WM 2006 haben wir viele positive Erfahrungen machen können, auch wenn wir bereits in der Vorrunde ausgeschieden sind. Diese Erfahrungen wollen wir jetzt nutzen.

Abendblatt: Was trauen Sie den anderen Teams aus Afrika zu?

Demel: Viel. Ghana hat eine sehr starke Mannschaft. Auch Kamerun und Nigeria sind gut besetzt. Ich glaube schon, dass es die eine oder andere afrikanische Überraschung geben wird.

Abendblatt: Sie selbst sind in Frankreich geboren und aufgewachsen. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschlossen, für die Elfenbeinküste zu spielen?

Demel: Ich habe mehrfach das Angebot bekommen, für die französischen Jugendnationalmannschaften zu spielen. Aber ich hatte meinen Großeltern, die noch immer in der Elfenbeinküste wohnen, versprochen, dass ich für ihre Heimat spiele. Auch meine Eltern sind stolz auf meine Entscheidung. Sie sind zwar als Kinder nach Frankreich gezogen, haben ihre Heimat in ihren Herzen aber behalten.

Abendblatt: Belastet Sie die politische Situation in Ihrer Heimat?

Demel: Die Situation hat sich ja glücklicherweise stark gebessert. 2002 gab es bürgerkriegsähnliche Zustände. Aber seit 2007 normalisiert sich die Lage wieder. In der Mannschaft hatten wir immer Fußballer aus dem Norden und aus dem Süden dabei, da gab es nie Probleme.

Abendblatt: Macht Ihnen die missliche Lage Ihrer Landsleute trotzdem manchmal zu schaffen?

Demel: Natürlich macht es mich traurig, dass mein Land noch immer so große Probleme hat, dass noch immer mehr als 60 Prozent der Ivorer nicht lesen und nicht schreiben können. Es ist sehr wichtig, dass mehr für Bildung getan wird, dass mehr Kinder in die Schule gehen. Aber ich finde es falsch, nur die Probleme anzusprechen. Probleme wie Analphabetismus gibt es auch in anderen Ländern. Wir sollten lieber die Hoffnungssignale betonen.

Abendblatt: Ihr Freund Didier Drogba, Star der Nationalmannschaft, hat mal ein Interview mit einem italienischen TV-Sender abgebrochen, weil der Fragesteller sich nicht über die Lage der Elfenbeinküste im Klaren gewesen sein soll. Wie häufig sprechen Sie mit Drogba über diese Dinge?

Demel: Es kann nicht sein, dass ein angeblich gebildeter Mensch in den heutigen Zeiten keine Ahnung hat, wo die Elfenbeinküste liegt und welche Sorgen die Menschen dort haben. Natürlich spreche ich mit Didier nicht nur über Fußball. Er ist ein sehr offener und nachdenklicher Typ.

Abendblatt: Glauben Sie, dass eine erfolgreiche WM Ihr Land auch politisch stabilisieren könnte?

Demel: Schon während des Krieges gab es immer eine Feuerpause, wenn wir gespielt haben. Es freut mich, dass wir helfen können und den Leuten ein Vergnügen bereiten. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass wir Fußballer und keine Politiker sind. Und dass Fußball nicht alles ist, wissen wir spätestens seit dem schrecklichen Tod Robert Enkes.

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