Andreas Hinkel spielt seit anderthalb Jahren in Schottland. Am Donnerstag trifft er in der Europa League auf den HSV.

Hamburg/Glasgow. Wenn Andreas Hinkel erst mal ins Rollen kommt, ist der 27-Jährige nur schwer zu stoppen - sowohl auf dem Platz als auch im Interview. Der Rechtsverteidiger, der seit Januar 2008 bei Celtic Glasgow spielt, schildert im Gespräch mit dem Abendblatt, warum er gerne im regnerischen Schottland lebt, schwärmt vom Abenteuer Ausland und erklärt, warum der HSV am Donnerstag im Celtic Park nicht der Favorit ist.

Abendblatt: Herr Hinkel, in Glasgow regnet es 156 Tage im Jahr. Wie konnten Sie nur aus dem sonnigen Sevilla zu Celtic wechseln?

Andreas Hinkel: Sevilla ist eine Traumstadt, aber Sie sollten auch Glasgow nicht unterschätzen - mal abgesehen vom Wetter natürlich. Glasgow war europäische Kulturhauptstadt, hat mehrere Designer- und Architekturpreise gewonnen und auch sonst eine hohe Lebensqualität zu bieten. Jede Stadt hat ihren Reiz, man muss Glasgow einfach eine Chance geben.

Abendblatt: Darf man Celtic gegenüber Sevilla zumindest fußballerisch als Rückschritt bezeichnen?

Hinkel: Natürlich hat Sevilla eine andere Klasse als Celtic. Vom Niveau her war der FC Sevilla der beste Verein, in dem ich je gespielt habe. Die Mannschaft hatte das Potenzial, gegen jedes Team der Welt zu gewinnen.

Abendblatt: Sie hätten damals auch nach Dortmund wechseln können, warum haben Sie sich für die schottische Liga entschieden?

Hinkel: Ich wollte das Abenteuer Ausland nicht so schnell beenden. Wenn ich nach anderthalb Jahren in Spanien zurück nach Deutschland gewechselt wäre, hätte ich vielleicht nie wieder die Chance bekommen, in einer ausländischen Liga zu spielen.

Abendblatt: Muss man dafür geboren sein, ins Ausland zu wechseln, oder ist das eine Erfahrung, die jeder Profi machen sollte?

Hinkel: Die Erfahrungen, die ich im Ausland sammeln darf, sind für mich Gold wert. Aber nicht jeder Profi ist dafür geschaffen. Man muss sich schon ganz genau überlegen, was einen erwartet und was man in Deutschland aufgibt. Aber ich hatte einfach Lust, eine neue Kultur, eine neue Sprache und neue Leute kennenzulernen. Ich war eben schon immer abenteuerlustig.

Abendblatt: Sie spielen seit mehr als drei Jahren im Ausland. Vermissen Sie Deutschland überhaupt nicht?

Hinkel: Natürlich vermisse ich die Bundesliga. Aber abseits des Fußballfeldes vermisse ich eigentlich nicht viel. Ich brauche kein deutsches Fernsehen und kein deutsches Leben, um glücklich zu sein.

Abendblatt: Sie haben mal gesagt, dass man im Ausland eine andere Sicht auf Deutschland gewinnt. Wie ist Ihre?

Hinkel: Prioritäten verschieben sich. Durch neue Bekanntschaften lernt man manchmal andere Dinge zu schätzen, als man es vorher gewohnt war. Viele haben beispielsweise in Sevilla die deutsche Ordnung und Gründlichkeit im täglichen Leben vermisst. Die Deutschen achten eben auf andere Dinge als Spanier oder Schotten. Das ist überhaupt nicht gut oder schlecht, es ist einfach so.

Abendblatt: Haben Sie in Sevilla Spanisch und in Schottland Englisch gelernt?

Hinkel: Spanisch musste ich ganz neu lernen, aber es hat riesig Spaß gemacht. Ich habe jeden Tag gemerkt, wie es besser wurde. Manchmal war ich natürlich auch frustriert, weil ich das Gefühl hatte, nicht weiterzukommen. Aber am nächsten Tag hat es dann wieder klick gemacht. In Schottland war und ist es ein wenig anders. Ich dachte eigentlich, dass ich mein Schulenglisch hier verbessern könnte. Dann habe ich aber doch sehr schnell gemerkt, dass das schottische Englisch mit unserem Schulenglisch nicht viel gemein hat. Aber jetzt bin ich ja schon mehr als anderthalb Jahre hier und mittlerweile verstehe ich das schottische Englisch ganz gut.

Abendblatt: In Schottland gibt es kein öffentliches Training, keine täglichen Interviews und keine Autogrammstunden. Genießen Sie das Leben als hofierter Fußballprofi?

Hinkel: Es hat schon seinen Vorteil, wenn man ganz in Ruhe trainieren kann. Und sobald man das Trainingsgelände verlässt, ist man Privatier. Das ist in Deutschland anders.

Abendblatt: In Hamburg schauen oft mehrere Hundert Fans beim Training zu. Wäre Ihnen das zu viel?

Hinkel: Nein, ich bin das ja aus Stuttgart gewohnt. Und für die Anhänger ist es doch schön, dass sie in Deutschland so nah dran sind an den Profis.

Abendblatt: Wie stark schätzen Sie den HSV in dieser Saison ein?

Hinkel: Der HSV hat wie in den vergangenen Jahren eine tolle Mannschaft. Das Problem der Hamburger war häufig, dass sie es nicht geschafft haben, ihre Leistung über eine ganze Saison abzurufen. Und auch dieses Jahr wird es durch die bitteren Verletzungen schwierig. Aber vielleicht wird der Verein ja noch mal im Winter auf dem Transfermarkt aktiv.

Abendblatt: Celtic oder Hamburg - wer ist am Donnerstag Favorit?

Hinkel: In Deutschland wird immer davon ausgegangen, dass automatisch der Bundesligavertreter Favorit in Europa ist. Aber wir spielen zu Hause und sind im Celtic Park eine Macht. Die Stimmung hier ist einzigartig. Die Spieler werden von den Fans regelrecht zu Höchstleistungen getrieben. So reserviert, wie man sagt, sind die Schotten dann nämlich doch nicht.

Abendblatt: Ihr Vertrag in Glasgow läuft bis 2011. Wann ist Ihr Abenteuer Ausland beendet?

Hinkel: Das weiß ich noch nicht. Ich fühle mich in Glasgow pudelwohl, aber natürlich ist eine Rückkehr in die Bundesliga immer ein Thema für mich.

Abendblatt: Haben Sie denn mittlerweile herausgefunden, ob der Schotte mit oder ohne unter dem Kilt ist?

Hinkel: (lacht) Bislang habe ich noch nicht nachgeschaut.

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