Auf dem Schweden lastet die Verantwortung im Angriff - doch der 23-Jährige will sich nicht unter Druck setzen.

Hamburg. Der Taxifahrer wusste schon vor der Angabe des Fahrtziels, welch edle Fracht er da zu chauffieren hatte. Und obwohl sich Marcus Berg hinter einer großen Sonnenbrille versteckte, musste er doch auf dem Weg von seiner Wohnung in Winterhude zur Nordbank-Arena die eine oder andere Frage zum HSV und zum heutigen Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) beantworten. Doch anders als noch vor gut zwei Wochen, als der Schwede nach einigen schwachen Spielen seelisch am Boden schien, lächelte Berg diesmal mit der Oktobersonne um die Wette und gab höflich und im geschliffenen Englisch Auskunft über das Leben eines Fußballprofis, der noch immer keinen Führerschein hat.

Seit drei Monaten ist Marcus Berg in Hamburg - doch wirklich angekommen ist der 23-Jährige vielleicht erst jetzt. Bei seiner Präsentation hatte Trainer Bruno Labbadia im Juli noch appelliert, nicht nur an die Ablöse von 8,9 Millionen Euro zu denken, sondern "dem Jungen auch Zeit zu geben". Doch der Plan, Berg langsam mit Bedacht an die erste Elf heranzuführen, musste nach nur vier Spieltagen zu den Akten gelegt werden. Als sich Topstürmer Paolo Guerrero in der Länderspielpause das hintere Kreuzband riss und das vordere anriss, war plötzlich der von Labbadia als "Talent" bezeichnete Schwede im Fokus. Ein Druck, der den Gewinner des Goldenen Schuhs der U-21-EM 2009 zu lähmen schien.

Berg, der für den FC Groningen in 56 Spielen 32 Tore und für den IFK Göteborg in 53 Partien 21 Treffer erzielte, stolperte plötzlich über den Platz, anstatt Angst und Schrecken in den gegnerischen Abwehrreihen auszulösen. "Marcus war einfach traurig. Wenn es für ihn nicht läuft, dann fängt er an, über sich nachzudenken, und stellt sich selbst in Frage", sagte einer, der Berg ganz genau kennt: Gustav Svensson. Der Mittelfeldspieler des IFK Göteborg, der mit Berg gemeinsam für die U-21-Nationalmannschaft spielte, ist seit vielen Jahren ein enger Freund des Neu-Hamburgers. Über das Kommunikationsportal "facebook" tauschten Svensson und Berg während dessen Krise Nachrichten aus, telefonierten und besprachen so, wie der Angreifer mit Ladehemmung wieder in Form kommen könnte. "Ich sagte ihm, dass er nur an sich selbst glauben muss", so Svensson, "dann wird er auch wieder treffen."

Und tatsächlich schien Berg vor der Europapokalpartie des HSV gegen Hapoel Tel Aviv auf einen "Reload"-Knopf gedrückt zu haben. In den ersten zwölf Minuten traf der Schwede zweimal, ließ sich später glücklich von den Fans vor der Nordtribüne feiern. "Das Spiel gegen Tel Aviv war gut für Marcus' Kopf", glaubt auch Bergs Bruder Jonathan, der ebenfalls sein Geld als Fußballprofi verdient. Ähnlich wie Svensson glaubt auch er, dass sein Bruder nur Leistung bringen kann, wenn er mit sich selbst im Reinen ist. "Marcus denkt eigentlich immer an Fußball, er kann einfach nicht abschalten", sagt Jonathan, der mit seinem Bruder bereits als Kind von einer Karriere als Fußballprofi träumte: "Wir haben immer hinter dem Haus im Garten gekickt. Unser Vater brauchte den Rasen gar nicht mehr zu mähen." Und obwohl beide Bergs auch Handball, Hockey und Biathlon probierten, war schnell klar, dass Fußball ihr Sport ist. "Ich spielte im Sturm und Marcus im Mittelfeld. Aber irgendwie traf er viel öfter das Tor als ich, also tauschten wir irgendwann", erinnert sich Jonathan.

Das Tor möglichst häufig treffen soll Marcus Berg nun auch für den HSV - besonders nachdem mit Mladen Petric neben Guerrero der zweite Stürmerstar wegen eines Bänderrisses langfristig ausfallen wird. Ein Hoffnungsträger will er aber nicht sein: "Ich mache mir keinen Druck mehr. Ich will einfach nur meine Arbeit machen." Gegen Leverkusen wird der Nationalstürmer, der, am Mittwoch eingewechselt, gegen Albanien ein Tor erzielen und einen weiteren Treffer vorbereiten konnte, natürlich trotzdem wieder im Fokus stehen. Berg weiß das, aber es scheint ihn nicht mehr zu belasten. Hjärtligt välkommen till Hamburg! Der Schwede scheint endlich angekommen.

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