Das ist bitter und peinlich zugleich. Der HSV macht beim Drittligisten Osnabrück einen 0:2-Rückstand wett und verliert trotzdem.

Osnabrück. Wer bislang noch nichts mit dem etwas abgegriffenen Fußballerbegriff "Pokalkrimi" anzufangen wusste, weiß es seit gestern Abend. Der VfL Osnabrück und der HSV lieferten sich einen spannenden und dramatischen Schlagabtausch, der mit Leichtigkeit Eingang in die Geschichtsbücher beider Klubs finden wird.

Als es nach 120 Minuten 3:3 stand, hatten die 16 130 Zuschauer in Osnabrück Gefühlsausschläge in jede Richtung erlebt: Nach dem 2:0 sah der VfL wie der sichere Sieger gegen den lange pomadig wirkenden Bundesligaklub aus. Dann drehte der HSV in den letzten Sekunden der Nachspielzeit die Partie noch, glich zum 2:2 aus, als Trochowski einen Handelfmeter verwandeln konnte. In der Verlängerung wiederum sorgte Demel für die erstmalige Führung der Hamburger - der HSV schien das Spiel doch noch zu gewinnen, kontrollierte das Geschehen. Doch vier Minuten vor dem Ende der Verlängerung konnte Grieneisen schließlich für den 3:3-Ausgleich sorgen. Ein wirklich unglaublicher Spielverlauf.

Das Elfmeterschießen musste entscheiden. Die Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus hielten es vor Spannung auf der Tribüne nicht mehr aus, eilten an den Spielfeldrand.

Schmidt trat als Erster gegen Rost an, verwandelte sicher - 0:1 für Osnabrück. Dann Robert Tesche. Der ehemalige Bielefelder, der eine schwache Partie abgeliefert hatte, schoss ängstlich in die Mitte - Torwart Berbig konnte den Schuss mit dem Fuß abwehren. Lindemann verwandelte sicher für Osnabrück - 0:2. Nun stand Trochowski schon wieder unter Druck - und wieder blieb er eiskalt, verlud den VfL-Keeper, schoss in die Mitte 1:2. Nickenig erhöhte postwendend auf 1:3, Elia verkürzte auf 2:3. Heidrich ließ Rost keine Chance - 2:4 für den VfL. Als Mladen Petric scheiterte, waren die Hamburger raus.

"Der VfL hat nie aufgegeben und sehr clever gespielt", zollte Bruno Labbadia dem Gegner Respekt und äußerte deutliche Kritik an seinem Team: "Wir haben Osnabrück zu den Toren eingeladen und es nach dem 3:2 nicht geschafft, die Führung über die Zeit zu bringen. Ein ganz bitterer Abend."

Und ein großer Abend für die Niedersachsen. "Es ist des Pokals eigenes Gesetz, dass der Glaube Berge versetzt!" hatten die lautstarken Anhänger auf ein großes Transparent quer über der Ostkurve geschrieben.

Etwas Glauben an sich selbst könnte derzeit auch Hamburgs Berg - Marcus Berg - gebrauchen. Trotz dessen andauerndem Tief entschied sich Bruno Labbadia, den Torjäger a. D. gegen Osnabrück neben Mladen Petric im Angriff von Anfang an zu bringen. Doch statt sich gegen den Drittligisten neues Selbstvertrauen zu erarbeiten, verschärfte sich Bergs Formkrise bereits nach vier Minuten. Völlig frei stehend vor Osnabrücks Torhüter Tino Berbig schoss der Schwede den Ball mit voller Wucht auf Mann statt ins Tor. Ein Stimmungsdämpfer, von dem sich der 23-Jährige bis zu seiner Auswechslung nicht mehr erholte.

Ob Bergs Tief eine Verpflichtung Ebi Smolareks weiter beschleunigt, wollen Hamburgs Verantwortliche in Kürze entscheiden. Der polnische Stürmer war gestern genauso wenig im Stadion dabei wie der von den Fans immer mehr vermisste Paolo Guerrero. Während der Peruaner gemeinsam mit HSV-Physiotherapeut Uwe Eplinius und Mannschaftsarzt Dr. Oliver Dierk zu Kniespezialist Prof. Robert Steadman nach Colorado/USA flog, wo er am Montag am Kreuzband operiert wird, regelte Smolarek gestern in Rotterdam einige persönliche Angelegenheiten. Im Gegensatz zu Guerrero wird der Pole zum heutigen Training (11 Uhr an der Nordbank-Arena) zurückerwartet. Doch statt sich für einen Vertrag anzubieten, dürfte Smolarek erst mal mitansehen und -hören, was Labbadia vom lange Zeit desolaten Auftritt seiner Mannschaft hielt.

Neben dem erschütternden Berg dürften besonders Tesche, Pitroipa und Castelen eine Standpauke des Trainers erhalten. So konnte keiner überzeugen. Die Gegentreffer durch Hansen (53.) und Siegert (67.) waren logische Konsequenz der desolaten Mittelfeldleistung, die auch die Aufholjagd nicht vergessen ließ.

Osnabrück: Berbig - Schnetzler, Barletta, Nickenig, Krük - Heidrich, Hansen - Siegert, Lindemann - Reichenberger (65. Grieneisen), Bencik (90. Schmidt).

HSV: Rost - Demel, Rozehnal, Mathijsen, Aogo - Tesche, Zé Roberto (46. Trochowsk) - Castelen (56 Elia), Pitroipa - Berg (70. Arslan), Petric.

Tore: 1:0 Hansen (52.), 2:0 Siegert (68.), 2:1 Petric (77.), 2:2 Trochowski (90.+2), 2:3 Demel (100.), 3:3 Grieneisen (116.). Schiedsrichter: Wingenbach (Diez). Zuschauer: 16 130 (ausverkauft). Gelbe Karte: Aogo.

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