Der 43 Jahre alte Trainer des Hamburger SV spricht über die Suche nach einem Sportchef, Torjäger Guerrero und windige Berater.

Abendblatt: Herr Labbadia, haben Sie sich schon die aktuelle Tabelle aus der Zeitung geschnitten?

Bruno Labbadia: Natürlich freue ich mich über unsere Spitzenposition, aber die Tabelle ausschneiden muss ich mir deswegen noch lange nicht. Schön ist einfach, dass jeder etwas Positives in die Länderspielpause mitnimmt.

Abendblatt: Wissen Sie, wann der HSV zuletzt Tabellenführer war?

Labbadia: Nicht wirklich.

Abendblatt: Am 22. Februar dieses Jahres, nach einem 2:1-Auswärtssieg gegen Leverkusen.

Labbadia: (lacht) Jetzt fällt es mir ein. Das war für mich damals nicht ganz so schön wie heute.

Abendblatt: Dieser Moment ist gerade mal ein halbes Jahr her. Sind Sie nicht erstaunt, wie schnell die Zeit vergeht?

Labbadia : Das ist schon verrückt. In den sechs Monaten ist wirklich viel passiert. Es war eine sehr intensive Zeit für mich.

Abendblatt: War es Ihre härteste Zeit als Trainer bislang?

Labbadia: Das kann man so nicht sagen. Jeder Verein hat seine eigenen Geschichten. Ich habe auch miterlebt, wie Darmstadt in der Oberliga am Abgrund stand. Das war für mich ein ganz anderer Druck als der, den ich jetzt in Hamburg habe. Ein Trainerleben ist heutzutage sehr schnelllebig.

Abendblatt: Zu schnelllebig?

Labbadia: Klar ist, dass das Geschäft immer schnelllebiger geworden ist. In der Öffentlichkeit gibt es nur noch schwarz oder weiß. Davon dürfen wir uns als Verantwortliche aber nicht beeinflussen lassen. Wir müssen unseren eigenen Zeitplan schaffen. Der Verein hat gezeigt, dass man mit mir langfristig plant. Immerhin habe ich einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Und auch ich habe bei den Neuzugängen darauf geachtet, dass sie uns nicht nur kurz- und mittelfristig, sondern langfristig weiterhelfen.

Abendblatt: Glauben Sie, dass Ihnen Paolo Guerrero nach seinen starken Auftritten wirklich langfristig erhalten bleibt?

Labbadia: Wir werden Paolo in dieser Saison nicht abgeben - egal was passiert. Er hat Qualitäten, die wir unter Zeitdruck nicht ersetzen können. Aber natürlich müssen wir auch wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen. Wir wollen ihm einen guten Vertrag anbieten, gleichzeitig aber das Gehaltsgefüge nicht sprengen. Paolo muss selbst wissen, was ihm der HSV wert ist.

Abendblatt: Vor der gleichen Frage stand Ivica Olic vor einem Jahr. Jetzt spielt er beim FC Bayern.

Labbadia: Derartige Vorgänge kann man leider nie vermeiden. Paolo weiß, dass wir ihn unbedingt halten wollen, allerdings nicht zu jedem Preis. Wir müssen ganz genau abwägen, was machbar ist. Natürlich spielen dabei auch die Spieler und deren Berater eine entscheidende Rolle.

Abendblatt: Stört es Sie, dass 58,8 Millionen Euro Honorare pro Jahr an die Berater fließen?

Labbadia: Gewissen Dingen kann man sich leider nicht entziehen. Man kann die Beraterhonorare zahlen, oder man kann es lassen. Entscheidend ist, dass man als Verein nur Dinge macht, die man sich auch leisten kann.

Abendblatt: Gibt es keine Möglichkeit, den steigenden Beraterhonoraren entgegenzuwirken?

Labbadia: Man könnte darüber nachdenken, ob man ähnlich wie bei einem Notar eine Gebührenordnung einführt. Die Frage ist nur, ob sich alle daran halten. Solange ein Verein irgendeinen Spieler unbedingt haben will, wird er sich auch mit dessen Berater an einen Tisch setzen.

Abendblatt: Hatten Sie früher einen Berater?

Labbadia: Natürlich.

Abendblatt: Und haben Sie sich gut beraten gefühlt?

Labbadia: Ja, weil er sich gut im Fußball auskannte. Es ist falsch, generell alle Berater zu verurteilen. Es gibt viele, die sich gut um ihre Spieler kümmern. Wenn ich beispielsweise Berater von Paolo wäre, würde ich ihm raten zu wechseln, wenn es mir nur ums Geld ginge. Wenn es mir um sein Wohl ginge, müsste ich Paolo raten, beim HSV zu bleiben.

Abendblatt: Viel Wirbel gab es zuletzt auch um Zé Roberto und seinen Berater. Warum hat der HSV nicht verraten, dass eine Ablösesumme gezahlt wurde?

Labbadia: Ich habe immer betont, dass man die Spieler nicht an ihren Ablösesummen messen soll...

Abendblatt: ...darauf zielte die Frage nicht ab.

Labbadia: Entscheidend ist, ob der Spieler einen Verein weiter bringt und bezahlbar ist. Solange das möglich ist, sehe ich keine Probleme. Wir haben keine falsche Tatsachen geschaffen.

Abendblatt: Aber auch keine richtigen. Warum wurde nicht mit offenen Karten gespielt?

Labbadia: Wir müssen doch nicht immer alles offenlegen. Wir sind doch schon gläsern im Fußball. Ich wundere mich ein wenig, dass es so einen Wirbel um den Transfer von Zé plötzlich gibt. Wir haben nun aber mehr als ausführlich dazu Stellung bezogen.

Abendblatt: Zumindest sportlich gibt es zu Zé Roberto und den anderen Neuen keine zwei Meinungen. Warum braucht der HSV überhaupt noch einen Sportchef?

Labbadia: Gute Leute kann man immer gebrauchen. Aber es ist richtig, dass wir bereits einiges auf die Beine gestellt haben. Gemeinsam haben wir es geschafft, das Vakuum auszufühlen.

Abendblatt: Auch mit Leverkusen waren Sie letztes Jahr stark gestartet, dann aber abgerutscht.

Labbadia: Ich will mir keine Gedanken darüber machen, was einmal war, sondern, was sein wird. Und ich freue mich darauf, was mich beim HSV noch erwartet.

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