HSV-Torwart Frank Rost will noch lange in Hamburg spielen und macht sich für Bernd Wehmeyer als neuen Sportchef stark.

Abendblatt:

Herr Rost, Sie wirken erholt.

Frank Rost:

Klar. Die Pause war genau richtig.

Abendblatt:

In Ihrem Alter...

Rost (lacht):

Was soll das heißen?

Abendblatt:

In Ihrem Alter kennen Sie Ihren Körper am besten...

Rost (lacht noch immer):

Ist schon klar, ich glaube alles...

Abendblatt:

Sehr gut. Glauben Sie daran, beim HSV Ihre Karriere zu beenden?

Rost:

Ja, der Gedanke ist mir sympathisch. Wenn ich hier weiter gewollt bin, bleibe ich gern. Ich werde mich allerdings nicht mit Worten aufdrängen. Willst du was gelten, mache dich selten, sagt man doch. Aber ich muss eh erst mal abwarten, wer hier mein Ansprechpartner wird.

Abendblatt:

Sie meinen den neuen Sportchef. Da scheint Roman Grill der Favorit zu sein.

Rost:

Ich befürchte, die Personalie Grill wird zu unbequemen Diskussionen führen. Sie ist zumindest überraschend.

Abendblatt:

Weil Herr Grill Piotr Trochowskis Berater ist?

Rost:

Auch. Das wird automatisch Thema, auch wenn Trochowski gar nichts dafür kann.

Abendblatt:

Herr Grill wird sein Amt als Spielerberater ablegen.

Rost:

Das wäre eine sehr mutige Entscheidung. Ich jedenfalls wüsste an seiner Stelle nicht, ob ich für einen derart brisanten Job mein gut florierendes Geschäft einfach so aufgeben würde. Wahrscheinlich würde ich mir die Option zur Rückkehr offenhalten.

Abendblatt:

Sind Sie mit der Wahl des Vorstandes und des Aufsichtsrates nicht zufrieden?

Rost:

Ich bin nicht derjenige, der das zu entscheiden hat. Grundsätzlich bin ich der gleichen Meinung wie "uns Uwe", der Bernd Wehmeyer als Favoriten für die Position benannt hat. Ich finde auch, dass manchmal die naheliegendste Lösung durchaus sinnvoll sein kann. Es ist sehr schade, dass er wohl keine Rolle mehr in den Überlegungen des Personalrats spielt und daraufhin seine Bewerbung zurückgezogen hat. Bei der Mannschaft genießt Herr Wehmeyer ein sehr hohes Ansehen. Als gestandener Bundesligaprofi des HSV bringt er die besten Vorraussetzungen mit. Aber ich vertraue unserem Vorstand und dem Aufsichtsrat, hier die beste Entscheidung für den Verein getroffen zu haben.

Abendblatt:

Reden wir über Ihre Person. Sie gehen mit dem Fußball an sich momentan sehr kritisch um, oder?

Rost:

Ja, das stimmt. Der Fußball entwickelt sich meiner Meinung nach auch weg von dem, was ihn jahrzehntelang ausgezeichnet hat. Fans werden heute doch schon als Kunden bezeichnet. Kunde ist man im Supermarkt, nicht in der Fan-Kurve.

Abendblatt:

Sind Sie ein romantischer Fußballtraditionalist?

Rost:

Wenn Sie es so formulieren wollen: ja. Die totale Vermarktung geht mir ab. Ich kaufe meine Brötchen auch nicht im Supermarkt. Ich hole meine Batterien, die Getränke und was ich sonst so brauche lieber im kleinen Laden um die Ecke. Dort kennt man mich, dort herrscht noch ein persönliches Miteinander.

Abendblatt:

Aber das kostet meist einen Aufpreis. Und in Zeiten der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit ist das für einen Fußball-Millionär sicher leichter als für den geschassten Arbeiter.

Rost:

Klar, das weiß ich. Und natürlich gibt es das Totschlagargument, dass wir Profis gerade durch die Komplettvermarktung unsere hohen Gehälter kassieren können. Aber wir sind auch nicht mehr als moderne Gladiatoren. Dabei sollte Fußball Emotion bleiben und darf nicht nur noch Wirtschaft sein. Was soll mir beispielsweise ein Assessment-Center im Fußball bringen?

Abendblatt:

So eines hat der HSV bei der Sportchefsuche eingesetzt ...

Rost:

... ja, ich weiß. Aber Fußball ist und bleibt Emotion, Bauchgefühl und ist nicht planbar wie ein normales Unternehmen. Ich glaube nicht, dass man die Methoden aus der Wirtschaft immer 1:1 übernehmen sollte.

Abendblatt:

Aber Sie studieren parallel Betriebswirtschaftslehre und wollen im Fußball bleiben. Also ganz ohne geht es dann auch nicht, oder?

Rost:

Nein, jeder muss wissen, wie große Unternehmen aufgebaut sind. Aber ein Sportchef beispielsweise braucht Einfühlvermögen, um einen 19-Jährigen, der abgeht wie eine Rakete, gut beraten zu können. Und er muss an die Mannschaft rankommen - diese soziale Komponente kannst Du nicht erlernen. Die bekommt man zum Beispiel, wenn man selbst jahrelang als Bundesligaprofi gespielt hat und eigene Erfahrungen sammeln konnte. Mir ist nicht ganz klar, wie man dieses Profil bei einem Test in einem Assessment-Center herausarbeiten kann.

Abendblatt:

Gut geplant scheint dagegen der sportliche Aufschwung beim HSV. Lässt sich die Lücke zu den Bayern mit so spektakulären Neuzugängen wie Zé Roberto oder auch Eljero Elia langsam schließen?

Rost:

Klar trägt eine derartige Steigerung der mannschaftlichen Qualität dazu bei. Aber wir sollten nicht alles hochjubeln, bevor die lange Saison gespielt ist. Hier in Hamburg passiert es oft, dass man von einem Extrem ins andere schlägt. Nach Freiburg waren wir Aussätzige, nach Dortmund und Wolfsburg feiert man uns als kommenden Meister. Beides ist zu extrem. Und ungesund.

Abendblatt:

Sie drücken die Euphoriebremse?

Rost:

Nein, ich habe selbst große Ziele und sehe uns auf gutem Weg. Aber ich muss verantwortungsvoll und kontrolliert damit umgehen. Ich darf nicht laut von der Meisterschaft sprechen, denn das wollen und können viele erreichen. Klar ist, die Champions League sollte es für uns werden.

Abendblatt:

Sie scheinen eher rational veranlagt. Oder gibt es etwas nicht Greifbares, woran Sie glauben?

Rost:

Sie meinen Gott? Nein, daran glaube ich nicht. Ich glaube aber an Gerechtigkeit. Irgendwann wirst du belohnt, wenn du immer ehrlich warst. Religion hilft einem Großteil der Menschheit, von daher ist das ganz sicher eine gute Sache. Religion wird aber leider auch immer wieder von Fanatikern missbraucht. Merken Sie, wir kommen immer wieder zum Schluss, dass die gesunde Mitte entscheidend ist. Manchmal ist Geduld, Ruhe und Weitsicht das Mittel zum Erfolg.

Abendblatt:

Dafür braucht man gerade im Tagesgeschäft Fußball aber eine dicke Haut. Und man muss ziemlich entspannt sein...

Rost (lacht):

. . . vielleicht bin ich ja deshalb momentan so entspannt.