Neuer Verteidiger wird dringend gesucht. Damit ist die Verpflichtung des Wunschstürmers fraglich.

Längenfeld. Dass er auch gestern nicht dazu kommen würde, sein mitgebrachtes Buch zu lesen, war Bruno Labbadia bereits am frühen Morgen klar. Noch vor der ersten Trainingseinheit in Längenfeld telefonierte Hamburgs Trainer mit Chefscout Michael Schröder und sprach mit Teammanager Bernd Wehmeyer die sofortige Heimreise des verletzten Alex Silvas ab. Nur den frühmorgendlichen Lauf durch die Tiroler Berge ließ sich Labbadia trotz der Sorgen um den Brasilianer und der sich anbahnenden Verpflichtung von Groningens Stürmer Marcus Berg nicht nehmen: "Die tägliche Joggingrunde brauche ich, um meinen Kopf frei zu bekommen."

Als Labbadia dann aber um kurz nach 18 Uhr von HSV-Mannschaftsarzt Oliver Dierk informiert wurde, dass der am Mittag aus München nach Hamburg zurückgeflogene Silva tatsächlich einen Riss des vorderen Kreuzbands am rechten Knie erlitten hat, hätte er sich am liebsten gleich wieder auf die Laufstrecke im Ötztal gemacht. Ein freier Kopf war nach dieser Schreckensmeldung mehr als angebracht. "Alex hatte sehr gut im Training mitgezogen. Nach der durchwachsenen Vorsaison war er für die neue Serie hochmotiviert", sagte ein sichtlich bestürzter Labbadia, der nur all zu gut weiß, dass er nun voraussichtlich sechs Monate auf den Brasilianer verzichten muss. Erschwerend kommt hinzu, dass Silva, der bereits vor seiner Verletzung über leichte Knieschmerzen klagte, schon einmal einen Kreuzbandriss am rechten Knie erlitten hatte. Gleich nach der Hiobsbotschaft telefonierte Labbadia mit HSV-Chef Bernd Hoffmann über die neue Ausgangslage im Hinblick auf weitere Neuverpflichtungen. Klar ist, dass nun die Suche nach einem neuen Innenverteidiger absolute Priorität hat. Bastian Reinhardt, der heute zu Verhandlungen mit einem ausländischen Verein fliegt, darf sich trotz Bereitschaft wohl keine allzu großen Hoffnungen auf ein mögliches HSV-Comeback machen. "Vorstellen könnte ich mir das schon, aber vom HSV hat sich niemand bei mir gemeldet", sagte der Abwehrmann, dessen auslaufender Vertrag in diesem Sommer nicht verlängert wurde. Neben Labbadia muss nun vor allem Chefscout Schröder nach alternativen Lösungen fahnden.

Intensiv wird jetzt beim HSV diskutiert, ob sich der Klub neben der jetzt notwendigen Verpflichtung eines neuen Top-Verteidigers noch den teuren Transfer von Marcus Berg leisten kann. "Durch die Silva-Verletzung steht wieder alles auf dem Prüfstand", heißt es in der Chefetage.

Für Labbadia ist dies besonders bitter. Denn eigentlich ist sein Arbeitgeber bei der Verpflichtung seines Wunschstürmers vom FC Groningen schon sehr weit. "Ich kann bestätigen, dass wir zu einem Treffen in Deutschland waren. Das Interesse der Hamburger ist sehr seriös", sagte Groningens Sportdirektor Hans Nijland der schwedischen Tageszeitung "Aftonbladet". Marcus Berg, der in den vergangenen beiden Jahren 32 Ligatore in der holländischen Ehrendivision und weitere sieben Treffer bei der U-21-Europameisterschaft in diesem Sommer geschossen hat, soll eine Ablösesumme von zehn Millionen Euro kosten - üblicherweise zahlbar in drei oder vier Raten. "Wir sind nah dran", ist Bergs Berater Sören Lerby trotzdem optimistisch.

Berg selbst verschaffte sich gestern bereits einen ersten Eindruck von seinem möglichen neuen Arbeitsplatz. Der 22-jährige Fußballer, der außer vom HSV auch vom FC Fulham, Tottenham Hotspur, Aston Villa und Ajax Amsterdam umworben ist, guckte sich nach den Gesprächen mit dem Vorstand die Nordbank-Arena und die Stadt an und soll dem Vernehmen nach schwer begeistert gewesen sein. Der 1,84 Meter große Angreifer, der als Torschützenkönig der schwedischen Liga bereits vor seiner Zeit in den Niederlanden sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellte, hat sich festgelegt, nicht mehr für Groningen zu spielen. Ähnlich wie Eljero Elia, der für knapp neun Millionen Euro ebenfalls aus Holland verpflichtet wurde, würde auch Berg beim HSV als Investition in die Zukunft betrachtet werden. Deshalb wird Labbadia auch um ihn kämpfen. Zeit zum Lesen, das ist sicher, wird der HSV-Trainer auch in nächsten Tagen nicht haben.