Hamburg. "Es kann nur einen geben", hatte das Abendblatt am Montag angesichts des Machtkampfs zwischen Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer getitelt. Gestern wurde die Prognose Realität: Um 23.07 Uhr gab Horst Becker bekannt, dass der Aufsichtsrat einvernehmlich beschlossen hat, der Auflösung des bis Dezember 2010 laufenden Vertrages von Beiersdorfer zuzustimmen. "Wir bedauern den Schritt sehr, müssen jetzt aber schnell wieder zu einem normalen Prozedere übergehen." Zu einem möglichen Nachfolger erklärte der Vorsitzende: "Wir sind auf der Suche nach einer Lösung, haben diese aber noch nicht diskutiert."

Die Entscheidung im tagelangen Machtkampf im Vorstand ist also zugunsten von Bernd Hoffmann gefallen. "Ich habe keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gesehen, um einen Klub wie den HSV zu führen", verteidigte Beiersdorfer sein Vorgehen, "deswegen habe ich den Aufsichtsrat um eine klare Entscheidung gebeten". Diese hat er nun bekommen.

Das Protokoll einer dramatischen Sitzung: Um 21.45 Uhr erreichte Peter Becker als letzter der zwölf Aufsichtsräte das Nobelrestaurant Insel an der Alster. Zügig und kommentarlos zog es ihn ins Innere der Lokalität seines Ratskollegen Ian Karan - die Krisensitzung konnte beginnen. Die einzige Regung hatte zuvor Kontrolleur Ronny Wulff mit gehobenem Daumen gezeigt. Er hatte wohl noch gehofft, eine Einigung herbeiführen zu können. Den bemerkenswertesten Auftritt legte Sergej Barbarez hin, der mit einem Ford Mustang Oldtimer vorfuhr. Bevor sich die Räte mit der wahrscheinlich schwersten Entscheidung der letzten Jahre befassten, ließ Karan ein Menü servieren: Wahlweise Piccata vom Freilandhuhn oder Rotbarbe.

Dann ging es ans Eingemachte. Nachdem sich die Sitzung des Aufsichtsrat-Personalausschusses mit Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer am Montag ohne Ergebnis vertagt hatte, führte Horst Becker am Dienstag vor der Sitzung noch bilaterale Gespräche, um eine Entscheidung vorzubereiten und nach einem letzten Kompromiss zu suchen. Dabei stellte Beiersdorfer allerdings wie schon am Montag klar, dass er keinen Deut von seiner Linie abgehen und nicht mehr im Team mit Bernd Hoffmann zusammenarbeiten wolle. Schon in dem dreistündigen Krisengipfel am Montag im Haus von Aufsichtsrat Alexander Otto, hatte Beiersdorfer sehr emotional, aber zugleich sehr gut vorbereitet alle seine Punkte auf den Tisch gebracht und seinen Standpunkt klar verdeutlicht. Dass der Vorstandsboss eine Kaderplanungssitzung ausgerechnet an dem Tag einberief, als Beiersdorfer zu einer Dienstreise aufbrechen musste, war nur einer von vielen Vorwürfen, die zu der radikalen Linie des Sportchefs geführt hatten. Darüber informierte Becker am Abend seine Kollegen - es gab keine Lösung mehr.

Der HSV steht jetzt vor einem radikalen Neuanfang. Erst machte sich Trainer Martin Jol in Richtung Ajax Amsterdam aus dem Staub, jetzt braucht der Klub einen neuen Sportchef. Gerüchten zufolge strebt Hoffmann an, den sportlichen Leiter eine Stufe unterhalb des Vorstands anzusiedeln. Dieser wäre dann gegenüber Hoffmann weisungsgebunden. Fraglich ist nun, welche personellen Konsequenzen gezogen werden, ob beispielsweise Mladen Petric und Paolo Guerrero bleiben - und vor allem, welche Neuzugänge verpflichtet werden sollen. Die Zeit drängt, am 3. Juli ist Trainingsauftakt.

Die zweite große Frage wird nun sein, wie die Mitgliedschaft auf den Abgang Beiersdorfers reagiert, der viele Sympathien genoss. Vor allem Hoffmann könnte nun in den Fokus rücken, da vor einem Jahr bereits Christian Reichert, der Vorstand für Mitgliederbelange, vor dem HSV-Boss geflüchtet war. Sollte sich der Erfolg in den kommenden Wochen nicht wie gewünscht einstellen, könnte die "Alleinherrschaft" des Vorstandsvorsitzenden stark in die Kritik geraten. Schließlich konnte sich Hoffmann auch bei der Mitgliederversammlung mit seinen Vorstellungen zu den Aufsichtsratskandidaten durchsetzen, während die Abteilungsleitung der Förderer und Supporters mit ihren vier Kandidaten scheiterte. Die Gefahr der Spaltung ist für den Klub noch stärker geworden und nimmt den Aufsichtsrat, in dem Hoffmann über eine Mehrheit verfügt, noch stärker in die Verantwortung. Vor allem die Wirtschaftsvertreter im Rat sind zwar Fachleute in ihren Bereichen, doch auf dem Fußballsektor allesamt unerfahren. Das Risiko, vor Saisonbeginn die sportliche Leitung neu zu besetzen, ist groß, zumal sich Gerüchte halten, dass mit einem Abgang Beiersdorfers die Scoutingabteilung "in allen Bereichen generalüberholt" würde.