Es ist allgemein bekannt, dass Pressekonferenzen in etwa den Unterhaltungswert von Telefonbuchlektüre haben - interessante Antworten bleiben trotz aller Versprechen die Ausnahme.

Hamburg/Berlin. So gesehen war es nicht weiter verwunderlich, dass beim Tête-à-Tête am Freitag in der Aufwärmhalle des Berliner Olympiastadions zwischen Bremens Thomas Schaaf und Leverkusens Bruno Labbadia vor dem heutigen DFB-Pokalfinale (20 Uhr/live in der ARD) nur wenig Amüsement geboten wurde. Selbst die spannende Konstellation, dass mit Schaaf und Labbadia gleich zwei der drei Trainerkandidaten des HSV im heutigen Endspiel aufeinandertreffen, ging im allgemeinen Austausch von Floskeln, Lobhudelei und künstlichem Kampfgetöse weitgehend unter. "Es ist der falsche Zeitpunkt, um eine Personaldiskussion zu führen", beantwortete Labbadia eine Nachfrage zum HSV-Interesse etwas lapidar.

Und so friedlich die Pressekonferenz mit einem kräftigen Händedruck der beiden Trainern zu Ende ging, so deutlich war Labbadias Kritik an seinem Arbeitgeber, die dem 43-Jährigen zuvor in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" über die Lippen ging: "Ein 'Weiter so' kann es für beide Seiten nicht geben", kritisierte Bayers Noch-Coach die interne "Kampagne" gegen seine Person. Vor allem mit Manager Michael Reschke gebe es keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit: "Fakt ist, dass wir eigentlich von Anfang an keine gemeinsame Arbeitsebene fanden." Die Arbeit mit der Mannschaft habe die fehlende Rückendeckung erschwert. "Zu oft verlangt man aber in Leverkusen, den Spielern Dinge zuzugestehen, damit sie sich wohlfühlen", schimpfte Labbadia. "Dabei muss man wissen, dass dies Folgen nach sich ziehen kann."

Nach dieser deftigen Kritik könnten nun vor allem auf Labbadia Folgen zukommen. So scheint der richtige Zeitpunkt für die zuvor abgelehnte Personalentscheidung schneller zu kommen als gedacht. Dabei hatte Leverkusens Sportchef Rudi Völler seinem Trainer in Berlin noch den Rücken gestärkt ("Wir sind von ihm überzeugt"), obwohl es in Leverkusen ein offenes Geheimnis ist, dass für den Trainer bereits am Montag Schluss sein könnte. "Es gibt keinen Treueschwur", drohte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Labbadia, dessen Tochter Jessica in Winterhude wohnt, scheint sich längst mit einem Ende in Leverkusen - und möglicherweise einem Anfang in Hamburg - angefreundet zu haben.

Eine endgültige Entscheidung über die Nachfolge Martin Jols soll nach Wunsch von HSV-Boss Bernd Hoffmann bis zum Ende der kommenden Woche getroffen werden. Und obwohl neben Labbadia und Schaaf, von dem man nicht glaubt, dass er Bremen verlassen will, dem Vernehmen nach auch noch ein dritter Kandidat auf der Wunschliste stehen soll, deutet vieles daraufhin, dass Labbadia Hoffmanns Wahl sein wird. Nur noch Außenseiterchancen hat Mirko Slomka, der gestern im Hamburger Elysee-Hotel gesehen sein worden soll. Ausgerechnet dort, wo vor einem Jahr Jol als Trainer präsentiert wurde und möglicherweise nächste Woche sein Nachfolger vorgestellt wird. So oder so - die nächste Pressekonferenz folgt in Kürze.