In seinem letzten Interview vor seinem Wechsel vom HSV zum FC Sevilla blickt Piotr Trochowski kritisch zurück und hoffnungsvoll nach vorne.

Hamburg. Piotr Trochowski hat den Treffpunkt für sein letztes Interview als HSVer strategisch clever gewählt. Der künftige Sevilla-Profi lud zum Kaffeetrinken in die Marsbar in Eppendorf, nur wenige Meter entfernt von seiner Wohnung in zentraler Lage. "Hamburg wird mir wirklich fehlen", sagt Trochowski.

Abendblatt: Buenos dias Señor Trochowski, cómo está?

Piotr Trochowski: Muy bien. Gracias.

Sie haben vor zwei Jahren angefangen Spanisch zu lernen. Haben Sie Ihren Wechsel nach Spanien lange vorbereitet?

Trochowski: Ich wollte meine Zeit einfach nur sinnvoll nutzen und eine neue Sprache lernen. Ich habe mir dann ein paar Apps für mein iPhone runtergeladen und im Auto gelernt. Jetzt übe ich jeden Tag ein bisschen, um mich gleich in Sevilla verständigen zu können.

Haben Sie gar keine Angst vor dem Schritt in ein ganz neues Leben?

Trochowski: Ich freue mich auf die neue Aufgabe. Deswegen lerne ich ja auch die Sprache. Ich werde mich in der Kabine nur zurechtfinden, wenn ich mich mit den Jungs unterhalten kann. Kommunikation ist sehr wichtig in einer Fußballmannschaft. Vielleicht wurde genau das in der Vergangenheit beim HSV zu oft vernachlässigt.

Viele Bundesligaklubs haben Angestellte, die sich nur um die Nöte und Wünsche ihrer Profis kümmern sollen, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Gibt es auch in Sevilla jemanden?

Trochowski: Auch in Sevilla gibt es einen Mitarbeiter, der mir beispielsweise hilft, eine Wohnung zu finden und Kleinigkeiten zu regeln. Ich brauche aber niemanden, der für mich im Supermarkt einkaufen geht. Sevillas Teammanager spricht kein Deutsch, und ich finde das gut, weil ich so gezwungen werde, mich zu integrieren. Beim HSV kamen ja jede Saison neue Spieler von anderen Kontinenten, die sich mal mehr, mal weniger integriert haben.

Haben Sie den Neuen beim HSV das Leben einfacher gemacht?

Trochowski: Klar. Aber manchmal nervt es auch, wenn man den Jungs immer wieder versucht klarzumachen, dass die Sprache das A und O in einer Fußballmannschaft ist.

Hatte Ihre Verlobte ein Mitspracherecht bei Ihrer Sevilla-Entscheidung?

Trochowski: Wir haben das gemeinsam entschieden, schließlich ist das auch für sie ein großer Schritt. Ich bin ja schon als 15-Jähriger alleine ins Internat zu Bayern gegangen, sie war aber noch nie längere Zeit außerhalb Hamburgs. Aber wir sind uns beide einig, dass es eine tolle Erfahrung sein wird.

Anfang April haben Sie Ihren Vierjahresvertrag in Sevilla unterzeichnet. Wurden Sie auf der Straße bereits von Fans erkannt und angesprochen?

Trochowski: Auf der Straße nicht, aber am Flughafen. Als ich mit meinem Berater Roman Grill auf dem Weg nach Sevilla in Palma de Mallorca umgestiegen bin, haben mich drei Fans um ein Foto gebeten. Sie haben dann mit ihrer Handykamera mehrere Fotos geschossen und sich freundlich bedankt. Wenige Stunden später waren die Bilder auf der Internetseite der größten Zeitung Sevillas zu sehen. Später habe ich erfahren, dass die drei Fans in Wirklichkeit Journalisten aus Sevilla waren.

Sie wechseln zu einen der besten Vereine in der besten Liga der Welt. Warum soll es für Sie in Sevilla besser laufen als zuletzt beim HSV?

Trochowski: Ich denke, dass mir der spanische Fußball liegt. Aber entscheidend war für mich, dass sich Sevilla sehr energisch um mich bemüht hat. Der Klub hat meinen Weg ab der U-19-Nationalmannschaft verfolgt. Von Sevillas Scoutingabteilung war ich sehr beeindruckt. Da wird jeder Neuzugang sehr sorgfältig und nicht nach dem Zufallsprinzip ausgesucht.

Das war in der Vergangenheit beim HSV nicht immer so.

Trochowski: In Hamburg wurde nach meinem Empfinden in den vergangenen Jahren bei Neuzugängen häufig ein Schwerpunkt auf große Namen gelegt, dabei aber nicht darauf geachtet, ob das Ganze passt. Ich weiß nicht, ob der Druck von außen zu groß war. Ich habe in meinen sechseinhalb Jahren beim HSV nicht das Gefühl gehabt, dass das Team von Jahr zu Jahr besser wird.

Waren Sie nach 180 Bundesligaspielen für den HSV von der unterkühlten Verabschiedung am Sonnabend enttäuscht?

Trochowski: Ich war vor allem enttäuscht, dass ich nicht ein paar Minuten spielen durfte. Nach all den Jahren hätte ich mich gerne von den Fans auf dem Spielfeld verabschiedet. Die Zeremonie vor dem Anpfiff ging dann etwas unter. Als ich später im Fernsehen gesehen habe, wie Dede und Nuri Sahin in Dortmund verabschiedet wurden, hat mich das schon traurig gemacht. Aber irgendwie passte unser Abschied ins Bild.

Wie lautet das Fazit Ihrer HSV-Zeit?

Trochowski: Meine persönliche Gesamtbilanz ist positiv. Ich kam als junges Talent von den Bayern und bin dann in Hamburg Nationalspieler geworden. Als Mannschaft hat aber immer das gewisse Etwas gefehlt. Wir sind häufig gut gestartet, dann aber im Saisonendspurt eingebrochen. Jedes Jahr wurde dann gesagt, dass die Profis keinen Charakter haben und dass neue Spieler verpflichtet werden müssen.

In diesem Sommer wagt der Verein tatsächliche einen radikalen Umbruch. Wird der Verein die Kurve bekommen?

Trochowski: Ich wünsche dem HSV ganz viel Glück, aber es wird nicht einfach. Bisher hat der Verein ja noch keinen einzigen Neuzugang verpflichtet. Der HSV muss bei null anfangen. So ein Neustart braucht Zeit, und ich hoffe, dass man dem Verein die Zeit gibt.

In Hamburg sagt man Tschüs.

Trochowski: In Sevilla sagt man Adios.