HSV-Profi Marcell Jansen blickt im Abendblatt-Interview auf ein schweres Jahr zurück und fordert ein harmonischeres Miteinander im Verein.

Hamburg. Eine Verabredung mit Marcell Jansen im Restaurant "Die Raute" ist eine echte Geduldsprobe. Der HSV-Profi muss einen Autogrammwunsch nach dem anderen erfüllen. Genügend Zeit zum Reden hatte Jansen dann aber auch noch.

Abendblatt: Herr Jansen, am letzten Spieltag trifft der HSV am Sonnabend auf Ihren früheren Klub Borussia Mönchengladbach. Um welchen Verein machen Sie sich derzeit mehr Sorgen?

Marcell Jansen: Ich mache mir gar keine Sorgen. Gladbach wird sich über die Relegation noch retten, und beim HSV bin ich guter Hoffnung, dass es im kommenden Jahr gut läuft.

Was halten Sie als Ex-Borusse von der Gruppe um Stefan Effenberg, die den Gladbacher Vorstand stürzen will?

Jansen: In den vergangenen Jahren wurde immer sehr viel Geld in Gladbach investiert, trotzdem hat man dann nur gegen den Abstieg gespielt. Ich finde es gut, dass Stefan Effenberg nun überlegt, wie er dem Verein helfen kann. Man sollte ihm eine Chance geben.

Was macht Ihnen beim HSV Hoffnung?

Jansen: Wichtig ist, dass unsere Mannschaft eine klare Struktur bekommt.

Es scheint einen Konsens zu geben, dass die aktuelle Mannschaft nicht als Team funktioniert. Warum nicht?

Jansen: Das ist schwer zu beantworten. Jeder sollte sich im Sommer Gedanken über sich selbst machen und dann in der kommenden Saison neu angreifen.

Haben die Führungsspieler des HSV in dieser Saison versagt?

Jansen: Es gibt viele Gründe, warum der Erfolg in dieser Saison ausblieb. Im Nachhinein auf einzelne Spieler zu zeigen ist mir zu populistisch. Wir hatten beispielsweise einen Frank Rost in der Mannschaft, der immer als Führungsspieler vorangegangen ist und seinen Kasten sauber gehalten hat.

Was lief dann schief?

Jansen: In Dortmund oder in Mainz sind alle Spieler für ein Ziel gelaufen. Das war bei uns in dieser Saison zu selten der Fall. Da wollen wir aber wieder hinkommen. In der Vergangenheit war das schon mal anders. Als ich vor drei Jahren nach Hamburg gekommen bin, waren wir eine tolle Truppe. Wir hatten Spieler wie Nigel de Jong, die einfach mal dazwischengehauen haben. Natürlich haben wir damals auch mal schlecht gespielt, aber trotzdem haben wir 13 Spiele mit 1:0 gewonnen. Und wir hatten Erfolg, waren in zwei Halbfinals und in der Liga auch nicht so schlecht. Die Mischung hat offensichtlich zuletzt nicht mehr gepasst.

Warum hat die Mischung vor drei Jahren gepasst, jetzt aber nicht mehr?

Jansen: In den vergangenen Jahren wurde zwar viel investiert, aber die Rendite blieb leider aus.

Deswegen soll jetzt aus der Not eine Tugend gemacht und der Umbruch gewagt werden. HSV-Chef Carl Edgar Jarchow hat zuletzt betont, dass kein Spieler mehr unverkäuflich sei, auch Sie nicht.

Jansen: Das ist sein gutes Recht. Natürlich ist kein Spieler unverkäuflich, so ist das Geschäft.

Wollen Sie in Hamburg bleiben?

Jansen: Obwohl es in dieser Saison nicht so gut gelaufen ist, fühle ich mich beim HSV wohl. Ich habe mich immer zu diesem Verein bekannt, auch in Phasen, in denen es mir nicht so gut ging. Ich erwarte nur Ehrlichkeit. Es muss eine klare Kommunikation untereinander geben. So war das auch vor drei Jahren bei Bayern, als ich mit Jürgen Klinsmann besprochen habe, dass es besser wäre, wenn ich wechseln würde.

Vor sechs Wochen haben Sie kritisiert, der Verein habe Ihnen Steine in den Weg gelegt. Wie meinten Sie das?

Jansen: Ich habe damals vor allem betont, dass es überhaupt nicht primär um meine Person geht, sondern um den Verein. Trotzdem wollte ich klarmachen, dass ich mit meiner damaligen Situation nicht zufrieden war und nicht zufrieden sein konnte. Ich hätte mir ein Gespräch darüber gewünscht, warum ich nicht spielen durfte.

Hat sich die Situation geändert?

Jansen: Ich habe mittlerweile mit Trainer Michael Oenning und auch mit Bastian Reinhardt länger gesprochen und die Sache aus der Welt geschafft. Im Nachhinein war es vielleicht ein Fehler, dass ich in der Vergangenheit nie an meine eigene Person gedacht habe. Ich bin eigentlich ein Linksverteidiger, habe aber immer ohne Murren im linken Mittelfeld gespielt. Das würde ich natürlich auch weiter so machen, wenn es der Trainer von mir fordert. Aber meiner Nationalmannschaftskarriere hat es nicht unbedingt geholfen.

Wann haben Sie das letzte Mal mit Joachim Löw gesprochen?

Jansen: Wir haben kürzlich telefoniert, um gemeinsam mit Michael Oenning meine Reise in die USA abzusprechen.

Was genau planen Sie in den USA?

Jansen: Ich fliege vor dem Trainingsauftakt zusammen mit Jerome Boateng für eine Woche nach Arizona. Chad Forsythe, der Fitnesstrainer der Nationalmannschaft, will uns richtig fit machen. Erst wenn ich wieder völlig gesund bin, kann ich mich über den Verein für die Nationalmannschaft qualifizieren.

Ihr Ziel bleibt also die Europameisterschaft im kommenden Jahr?

Jansen: Dafür muss ich erst mal fit werden. Dann ist die Europameisterschaft aber natürlich mein Ziel. Und ich bin mir sicher, dass ich das schaffe.