Nach den Spielen in Leverkusen und gegen Gladbach verlässt der dienstälteste Profispieler den HSV. Collin Benjamin wird fehlen.

Hamburg. Wenn man könnte, würde man Collin Benjamin gerne einfach mal kurz in die Arme nehmen. Kann man aber nicht. "Alles hat einen Anfang und alles hat ein Ende", sagt der Namibier, dessen traurige Augen noch dunkler als sonst blitzen, wenn er über seinen nahenden Abschied aus Hamburg sprechen muss. Benjamin weiß, dass sein Ende beim HSV unwiderruflich gekommen ist. So richtig begreifen könne er, der es zehn Jahre beim HSV ausgehalten hat, es aber noch nicht. "Das alles sitzt noch nicht so richtig", sagt Benjamin, der zugibt, die vergangenen zehn Jahre in ruhigen Momenten schon mal Revue passieren zu lassen.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten, so könnte man Benjamins Zeit beim HSV bilanzieren, wenn man das mit einigen wenigen Worten machen müsste. "Die Jungs in der Kabine zählen schon die Tage, bis ich weg bin", sagt der 32-Jährige und muss schmunzeln. Zweimal müssen sie ihn wohl noch ertragen. Auf seiner letzten Dienstreise zum Auswärtsspiel nach Leverkusen und beim Heimspiel gegen Mönchengladbach, natürlich ebenfalls seinem letzten. Ob er heulen muss, wenn er vor dem Anpfiff einen Strauß Blumen bekommt? "Das kann schon passieren", sagt Benjamin, der Mühe hat, dass die Tränen nicht schon jetzt herunterkullern.

Alles hat einen Anfang und ein Ende. Benjamins Anfang ist lange her und schon oft erzählt. Das Märchen vom jungen Afrikaner, der sein Glück in Europa suchte, ist aber auch zu gut. Ein Bekannter in Namibia empfahl ihm und seinem besten Freund Floris Diergaard einen Berater in Hamburg, der das Duo 1999 zum Verbandsligaklub Germania Schnelsen holte. Freie Unterkunft in der Pinneberger Straße und 100 Mark Taschengeld pro Woche waren ihr Lohn. Diergaard hielt es ein halbes Jahr aus, Benjamin wechselte über die Oberliga und Regionalliga schließlich zu den Profis beim HSV. Ob er noch heute Kontakt mit Diergaard hat? "Klar, Mann", antwortet Benjamin, Floris habe nur einen dickeren Bauch als früher, würde in Namibia, in Windhuk, bei einer Telekommunikationsfirma arbeiten.

Benjamins Rückkehr nach Namibia ist ebenfalls schon beschlossene Sache, nur der Zeitpunkt ist noch offen. Ein bis zwei Jahre würde er gerne noch spielen, gerne auch in der Zweiten Liga, dann geht es zurück in die Heimat. Könnte er sich auch vorstellen, in Hamburg zu bleiben und beim sogenannten Stadtteilklub zu spielen? Braun-Weiß statt Schwarz-Weiß-Blau? Eine lange Pause, dann antwortet Benjamin: "Ich kann mir alles vorstellen." St. Paulis Torhüter Benedikt Pliquett, ein Freund Benjamins, habe schon häufiger versucht, ihn zu bekehren, bislang aber ohne Erfolg.

"Collin ist ein besonderer Mensch", sagt Trainer Michael Oenning, dem klar ist, dass Benjamin eine große Lücke hinterlassen wird, "er war immer ein sehr wichtiger Spieler für unsere Mannschaft." Die Entscheidung, ob der Defensivallrounder im letzten Heimspiel kommende Woche gegen Gladbach von Anfang an spielen darf, sei zwar noch nicht gefallen, aber Oenning wäre auch im eigenen Interesse gut beraten, dem Publikumsliebling einen würdigen Abschied zu gewährleisten. "Ich würde ihm eine klatschen", antwortet Benjamin auf die Frage, was er machen würde, wenn er nicht spielen darf. Natürlich nur ein Scherz, der von Oenning aber ruhig ernst genommen werden darf. Böse kann er seinem Spieler ohnehin nicht sein. "Er wird uns fehlen", sagt Oenning. Alles hat ein Ende.