Wer Horst Becker in diesen Tagen verteidigen will, erhält in Fankreisen in etwa so viel Zustimmung wie Guido Westerwelle auf einem Parteitag der Linken. Und doch müssen selbst hartgesottene Kritiker des HSV-Aufsichtsratschefs eingestehen, dass kaum ein zweiter HSVer die schwarz-weiß-blaue Raute so sehr im Herzen trägt wie der Chefkontrolleur. Im Verein gilt Becker als Moderator, der oft erfolgreich zwischen Lagern vermitteln konnte.

Allerdings gibt es wohl nur wenige, die so so viele Fehler in den vergangenen elf Monaten gemacht haben wie eben Horst Becker. Angefangen bei der unglücklichen Vertragsauflösung Dietmar Beiersdorfers, der anschließend erfolglosen Suche ("zügig, aber ohne Hast") nach einem Nachfolger, dem peinlichen Showdown mit Oliver Kreuzer und Roman Grill, der Hängepartie um Urs Siegenthaler und abgeschlossen mit der geplatzten Verpflichtung Nico Hoogmas, näherte sich der Chefkontrolleur des HSV immer mehr dem Niveau der enttäuschenden Spieler der vergangenen Saison an - und übertraf diese mit dem Vorschlag des nicht mehrheitsfähigen Sergej Barbarez als neuer Vorstand Sport letztendlich deutlich. Der Hauptvorwurf, den sich Becker gefallen lassen muss, ist seine fehlende Distanz zum Vorstand. Ein Kontrolleur muss kontrollieren und nicht hofieren - das weiß auch jeder HVV-Mitarbeiter auf der Jagd nach Schwarzfahrern.

Der HSV scheint führungslos, ist aber nicht hoffnungslos. Horst Becker, der sich mit Recht oft von seinen Ratskollegen allein gelassen fühlt, überlegt nun, "unter welchen Umständen" er als Aufsichtsratschef weitermachen will. Zu wünschen ist ihm eine zügige Lösung, ohne Hast.