Die Ex-Nationaltorhüterin Katja Kraus schreibt im Abendblatt über die Frauen-WM. Das Interview vor dem Start des Turniers am Sonntag.

Hamburg. Als Torhüterin war sie für den FSV Frankfurt und die Nationalmannschaft aktiv, wurde 1995 Vize-Weltmeisterin. Katja Kraus, 40, bis zum Frühjahr im Vorstand des HSV, begleitet für das Abendblatt die Weltmeisterschaft. Ab Sonnabend schreibt sie in Kolumnen über das Großereignis.

Hamburger Abendblatt: Frau Kraus, in wenigen Tagen beginnt die Fußballweltmeisterschaft der Frauen ...

Katja Kraus: ... und genau deshalb wäre es doch schön, wenn wir endlich auch über Fußball reden könnten.

Statt über Nagellack in der Kabine?

Kraus: Es geht doch um Fußballspielerinnen. Um Sportlerinnen, die Spiele gewinnen und diese WM im eigenen Land erfolgreich bestreiten wollen. Und über die erfolgreichste deutsche Mannschaftssportart überhaupt. Statt über Taktiken oder Spielphilosophien wird gerade vor allem über erneuerbare Sommermärchen, Vergleiche zum Männerfußball und über alte und neue Frauenbilder diskutiert.

Inwiefern?

Kraus: Früher galten Fußballspielerinnen als zu männlich, jetzt sind sie feminin, und das wiederum gilt als Inszenierung des Frauenfußballs. Tatsächlich ist es so, dass es unterschiedliche Typen gibt. Wie überall. Ronaldo und Messi eben. Solche, die Wert auf ihr Äußeres legen und sich vor dem Spiel die Nägel lackieren, und andere, die es nicht tun.

Und Fotos im "Playboy"?

Kraus: Als Statement für den Frauenfußball ist das indiskutabel und wenig hilfreich.

Besonders auffällig ist die Harmonie innerhalb der aktuellen Mannschaft. Ist das dem Geschlecht geschuldet?

Kraus: Natürlich gibt es in jedem Team mit Leistungsanspruch auch Rivalitäten und Disharmonien. Dennoch hat der Teamgedanke ganz sicher einen höheren Stellenwert. Die Bereitschaft, die eigene Rolle für den Erfolg des Teams anzunehmen, steht über dem Drang nach individuellem Ansehen. Das hat auch damit zu tun, dass Aufmerksamkeit, Anerkennung und wirtschaftliche Vorteile nicht in dem Maße gegeben sind, wie es bei den Männern der Fall ist. Es wird interessant zu beobachten, ob es sich im Turnierverlauf verändert. Eine Aufmerksamkeit wie diese haben der Frauenfußball und die einzelnen Spielerinnen bislang nie bekommen.

Sind Männer egoistischer?

Kraus: Das System ist ein ganz anderes. Geld und Glamour spielen eine viel größere Rolle. Der Wettbewerb um den nächsten Karriereschritt, einen hoch dotierten Vertrag oder ganz einfach die bessere Kritik macht auch Mannschaftskameraden zu Kontrahenten. Das ist im Frauenfußball noch anders, aber auch das wird sich mit steigendem Interesse verändern. Berater und karrierebedingte Vereinswechsel sind inzwischen sehr viel etablierter als noch vor einigen Jahren.

Trotzdem sind die Unterschiede zu den Männern massiv. Liegt es an den körperlichen Voraussetzungen?

Kraus: Klar, die körperlichen Unterschiede sind so gravierend, dass alle Vergleiche keinen Sinn machen. Fußball ist Fußball, aber Frauen spielen nun mal anders als Männer, schon wegen der athletischen Voraussetzungen. Frauen sind im Schnitt zwölf Zentimeter kleiner als Männer. Torhüterinnen dementsprechend auch. Deshalb fällt vielleicht mal ein Tor mehr. Ich bin 1,76 Meter groß, bei einem Mann würde man sagen, das reicht nicht für eine Bundesligakarriere.

Spielen Frauen denn auch fairer?

Kraus: Frauenfußball ist ganz sicher fairer. Es gibt weniger Fouls, um Zeichen zu setzen, Dominanz auszudrücken. Das Spiel ist ehrlicher. Es gibt weniger Schauspielerei und überflüssiges Lamentieren.

Würden Sie eigentlich selbst gern bei dieser Weltmeisterschaft noch mal auf dem Platz stehen?

Kraus: Diese Weltmeisterschaft ist ganz sicher eine neue Dimension für den Frauenfußball, und ich freue mich für jede Spielerin, die dabei sein kann. Aber ich hatte eine fantastische Zeit, wenn auch unter anderen Voraussetzungen.

Ärgert es Sie so gar nicht, dass Sie trotz ähnlichem Aufwand viel weniger damit verdient haben?

Kraus: Überhaupt nicht. Ich habe einfach immer Fußball gespielt, und meine Spielfreude hatte nichts damit zu tun, ob wir am Ende ein Kaffeeservice oder ein paar Tausend Euro bekamen. Ich selbst etwa habe lieber vor 5000 oder auch 500 Fans gespielt, die nur wegen des Spiels kamen, als vor 10 000 bis 40 000 Zuschauern beim Pokalendspiel in Berlin, die sich schon für das Männerfinale warm gesungen haben.

Hat sich der Frauenfußball im Vergleich zu Ihrer Zeit spielerisch und technisch weiterentwickelt?

Kraus: In der Nationalmannschaft ganz sicher. Der Bundesligafußball ist auch schneller geworden. Bei den technischen Fähigkeiten hat sich in der Breite nicht so viel getan. Das Niveau war damals schon gut.

Wird die Weltmeisterschaft im Frauenfußball nachhaltig etwas verändern?

Kraus: Ich würde mir wünschen, dass es nachhaltige Effekte gibt. Aber letztlich ist es nicht notwendig, das jetzt zu diskutieren. Wir sollten uns an der Weltmeisterschaft erfreuen. Daran, dass es die Chance gibt, in der ganzen Welt Mädchen zu ermutigen, Fußball zu spielen und damit ihre Identität zu stärken. Auch in Ländern, in denen es nicht selbstverständlich ist. Diejenigen, die Spaß daran haben, sollen sich freuen. Die anderen können den Fernseher einfach auslassen.