Am Sonntag ermittelt die Tatort-Komissarin im Fußball-Umfeld. Im Interview spricht sie über die Rolle des Frauenfußballs in Deutschland.

Frankfurt/Main. Schauspielerin Ulrike Folkerts (50) ist Teil der „Top 11 für 2011“, prominenten Frauen aus Sport, Wirtschaft und Gesellschaft, die für die Fußball-WM der Frauen im eigenen Land werben. Im Interview spricht sie über den schwierigen Wandel einer immer noch skeptisch beäugten Sportart und die Frage, weshalb Frauen – sie inklusive – ein Outing noch immer so viel leichter fällt als Männern. Gerade im Fußball.

Abendblatt: Frau Folkerts, im „Tatort“ ermitteln Sie Sonntag in der Welt des Frauenfußballs. Welchen Bezug haben Sie persönlich dazu?

Ulrike Folkerts: Ich wäre als Mädchen in einen Verein gegangen, wenn es die zu der Zeit schon für uns gegeben hätte; und bei den Jungs durften wir nicht mitmachen. So blieb es beim Kicken auf der Wiese bei uns im Ort. Einer von ihnen hat mir mal seine alten Fußballschuhe geschenkt, das war wie ein Ritterschlag für mich.

Sind Sie Fan eines bestimmten Vereins?

Nee, das war ich auch nie. Mein Vater hat oft Fußball geguckt, also kannte ich Gerd Müller, Beckenbauer, und, wie hieß er, Hoeneß habe ich auch mitgekriegt. Und diesen Lockenkopf fand ich richtig klasse.

Paul Breitner?

Genau. Aber ins Stadion zu gehen war nicht so meine Leidenschaft, damit muss man groß werden, es lieben lernen. Ich verband damit Gegröle und Alkohol, das ist nicht so meine Welt.

Wenn es Sie beruhigt: Das hat sich gewaltig verändert.

Ich weiß, die WM 2006 fand ich zum Beispiel toll. Wir haben zu der Zeit in Berlin oft in großen Runden gegrillt und mit dieser oder jener Mannschaft mitgefiebert, von der wir keinen einzigen Spieler kannten, uns aber trotzdem total gefreut, wenn sie gewonnen hat. So etwas wünsche ich mir jetzt auch für die Frauen-WM; aber ich weiß, dass das nicht realistisch ist, weil Frauenfußball als Sport immer noch nicht so ernst genommen wird.

Aber auch das ist enorm besser geworden.

Trotzdem bleibt die Geschichte des Frauenfußballs dramatisch! Ich habe gehört, was die Frauen 1989 für ihren EM-Sieg bekommen haben…

…das inzwischen berühmte Kaffeeservice…

…das ist doch Wahnsinn! Andererseits: Es ist gerade einmal 50 Jahre her, da hatte der Mann das Recht zu seiner Frau zu sagen: Du gehst nicht arbeiten, sonst schaffst du den Haushalt nicht. Die Frauen durften in unserem so fortschrittlichen Land auch kein eigenes Bankkonto führen. Ich erinnere, wie mein Vater meiner Mutter einmal im Monat Haushaltsgeld gab – aber er selbst verschwand an den Wochenende schon gern mal zum Stammtisch.

Der ersten Generation Fußball spielender Frauen diente der Fußball als Emanzipation, trotzdem wollten sie häufig sein wie Männer: kurze Haare, dicke Muskeln.

Irgendwie mussten sie ihren Sport ja rechtfertigen.

Die aktuelle Generation betont dagegen auffällig ihre Weiblichkeit.

Aber ist das verboten? Auch wieder falsch?

Das nicht. Aber wirkt es nicht aufgesetzt, wenn etwas heutzutage ziemlich Normales, Selbstverständliches ständig hervorgehoben wird?

Sex sells: Fußballer werben selbstverständlich für Pflegeprodukte, also warum wird das dann bei Frauen hinterfragt?

Und wenn sich fünf junge Frauen pünktlich zur WM für den Playboy ausziehen?

Ja, aber Moment mal: Wie die Frauen es auch machen, machen sie es falsch – oder wie? Der Playboy ist ein professionelles Hochglanzmagazin, für das sich schon so viele Frauen haben fotografieren lassen, auch und gerade Sportlerinnen.

Der aktuelle Fall bedient eben den Boulevard – und ziemlich viele Klischees: „So heiß wird die WM“, es folgt eine Bilderstrecke im Internet, dabei ist keine der fünf im WM-Kader.

Davon weiß ich nichts. Dann hat der Playboy seine Fotos nicht geschützt; das wäre eine Sauerei und ein Mangel an Verantwortung den Betroffenen gegenüber. Aber warum machen eigentlich alle so ein Riesentrara um das, was die Frauen machen: Huch, die eine Torhüterin ist mit einer Frau verheiratet, die andere liebt bekennend beide Geschlechter – wen interessiert denn das?

Anscheinend eine Menge Leute. Aber immerhin outen sich Fußballerinnen. Fußballer tun das nicht. Warum?

Weil das ihr Tod wäre. Das liegt an den Fans im Stadion, an den Massen auf den Tribünen. Für die ist „schwul“ doch immer noch gleichzusetzen mit „schwach“. Der ist zu weich zum Treten, heißt es dann: Warmduscher – um hier keine Kraftausdrücke zu verwenden. Aber das muss sich irgendwann auflösen. Ich hatte als Schauspielerin auch keine Lust mich zu outen.

Aber Sie haben es getan.

Nicht, weil meine Familie oder Freunde das wollten. Sondern weil ich sie vor bohrenden Fragen derer schützen wollte und musste, die dringend etwas über mein Privatleben herausfinden wollten. Also habe ich damals die Flucht nach vorn angetreten. Aber bleiben wir noch einen Moment beim Bild der Frauen…

Ja?

Sie müssen eine gute Mutter und Hausfrau sein, eine tolle Geliebte und Ehefrau, sportlich, attraktiv, sexy und schlau. Ein schier unmöglicher Spagat, der trotzdem vielen Frauen gelingt. Von Männern wird das nicht verlangt; da darf Lukas Podolski der spaßige Poldi sein. Ich würde mir wünschen, dass auch Frauen stärker als individuelle Persönlichkeiten wahrgenommen würden.

Glauben Sie, dass die Fußball-WM der Frauen zu einer Veränderung führen kann?

Eine neue Sichtweise ist nötig. Und wann soll die kommen, wenn nicht jetzt, in diesem Sommer, bei dieser WM mit ausverkauften Spielen einer tollen deutschen Frauen-Nationalmannschaft?