Nizza. Mit einem 2:1-Sieg gegen die Engländer schafft Island die Sensation. Der englische Trainer stellt sein Amt zur Verfügung

Ganz Island steht kopf, England ist blamiert wie selten zuvor. Der furchtlose Außenseiter hat das Mutterland des Fußballs mit einer der größten Sensationen der EM-Geschichte ins Tal der Tränen gestürzt. Der Debütant aus dem hohen Norden zog gegen die kopflosen Three Lions mit einem leidenschaftlich erkämpften 2:1 (2:1) ins Viertelfinale ein - ein Mann namens Kolbeinn Sigthorsson erzielte passenderweise das Siegtor. Island trifft am Sonntag auf Gastgeber Frankreich, danach wartet Deutschland oder Italien.

England erlebte nach dem WM-Vorrunden-Aus 2014 sein nächstes Debakel. "Das ist die schlimmste Niederlage unserer Geschichte", twitterte das Fußball-Idol Gary Lineker. "England ist von einem Land geschlagen worden, das mehr Vulkane als Fußballprofis hat."

Island drehte innerhalb von 15 Minuten einen Rückstand

Wenig beeindruckt vom Rückstand durch einen von Wayne Rooney verwandelten Foulelfmeter (4.) drehte Island das Spiel innerhalb von zwölf Minuten. Zunächst traf der ehemalige Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson nach einem längst bekannten Einwurf-Trick (6.), dann sah Englands Torhüter Joe Hart beim Schuss von Sigthorsson schlecht aus (18.).

Die verzweifelten Versuche der Three Lions, die Blamage zu verhindern, scheiterten kläglich. Der Siegeszug der Isländer beginnt derweil an das griechische Fußball-Märchen unter Otto Rehhagel bei der EM 2004 zu erinnern.

Alan Shearer, ehemaliger Kapitän, hatte ein mögliches Ausscheiden gegen Island als "größte Peinlichkeit in der Geschichte unserer Nationalmannschaft" bezeichnet. Rooney, sein Nachfolger als Träger der Binde, tat sein Möglichstes, um das zu verhindern. Nachdem Islands Torhüter Hannes Halldorsson sehr ungeschickt Raheem Sterling im Strafraum zu Fall gebracht hatte, trat Rooney furchtlos zum Elfmeter an - und traf. Knapp, aber der Ball war drin.

Auf das Schießen von Elfmetern schienen die Engländer also vorbereitet zu sein, dagegen hatten sie von den Einwürfen Aron Gunnarssons offenkundig noch nie etwas gehört: Keine zwei Minuten nach dem Rückstand schleuderte Islands Kapitän den Ball hinein in den Strafraum, Kari Arnason verlängerte vorbildlich, Sigurdsson stahl sich im Rücken von Englands Kyle Walker davon - Ausgleich. Es war eine Kopie von Islands 1:0 gegen Österreich im letzten Gruppenspiel (2:1).

Der schnelle Ausgleich war aber nicht das einzige Missgeschick, das den erkennbar erschrockenen Engländern unterlief. In der 18. Minute durfte Sigthorsson ungehindert die Strafraumgrenze überschreiten und schießen - zum zögerlichen Eingreifen von Gary Cahill kam ein weiterer Beweis mangelnder englischer Torhüterkunst: Joe Hart fiel zu spät nach links, und der Ball rollte quälend langsam für die Engländer über die Linie.

Die Three Lions antworteten mit wütenden Angriffen. Sie waren die spielerisch bessere Mannschaft, aber Island kämpfte. Jede Chance konnten die Nordmänner nicht verhindern, so jene von Harry Kane (28.). Je länger das Spiel dauerte, desto entnervter wurden die Engländer: Sie hatten die meiste Zeit den Ball, aber sie wussten damit nichts anzufangen - auch Rooney nicht. Die Isländer rannten und kämpften die Lücken zu, sie warfen sich in jeden Ball. Und sie erzwangen ihr Glück.

Britischer Trainer tritt zurück

Des Einen Freud', des anderen Leid: Englands Teammanager Roy Hodgson hat für das peinliche EM-Aus die Verantwortung übernommen und seinen Abschied als Trainer verkündet. Dies sagte der 68-Jährige unmittelbar nach der Pleite auf der Pressekonferenz. Hodgsons Vertrag lief nach der EM aus.

Hodgson hatte schon nach der Vorrunde, die Kapitän Wayne Rooney und Co. nur auf Platz zwei hinter Wales beendeten, wegen verschiedener Personalentscheidungen unter Druck gestanden. Er werde nicht um seinen Posten "betteln", hatte Hodgson einen Tag vor dem Achtelfinal-K.o. betont.

Hodgson hatte das Amt im Mai 2012 kurz vor der EM in Polen und der Ukraine übernommen und England bei diesem Turnier bis ins Viertelfinale geführt. Bei der WM 2014 in Brasilien war er mit dem Team bereits in der Vorrunde gescheitert.