Hallo Hamburg,

nur noch knapp vier Stunden bis zum Anpfiff und so langsam wird die Anspannung größer. Ich war eben noch mal kurz in Danzig und habe dort schon jede Menge Deutschland- und Griechenlandfans gesehen. Nachhaltig beeindruckt haben mich aber nicht die Fans, sondern ein Pflichtbesuch beim Supermarkt. Ich brauchte lediglich Taschentücher (wegen meiner Erkältung) und Shampoo (war alle) und habe doch knapp 20 Minuten benötigt. Das lag aber nicht daran, dass der Supermarkt so voll war. Es war ein ganz normaler Lidl-Markt – das darf ich hier hoffentlich schreiben, ohne mich der Gefahr auszusetzen, Schleichwerbung zu machen. Acht Kassen hatten offen, an jeder Kasse standen zwischen zwei und drei Kunden an – und trotzdem dauerte es eine halbe Ewigkeit. Meine These: Wenn man eine Aldi-Kassiererin aus Deutschland gegen acht Lidl-Kassen aus Polen austauschen würde, wäre man schneller an der Reihe. Ohnehin ist Deutschland meiner Meinung nach im inoffiziellen „Supermarkt-Kassiererinnen-Vergleich“ schon längst Europameister. Nirgendwo sind die Damen und Herren an den Kassen so fix wie bei uns. So dauert es in Portugal eine Ewigkeit, bis man das Wechselgeld rausbekommt. Wer dort beispielsweise für acht Euro einkauft, aber mit einem 50-Euro-Schein bezahlen will, der wird erst mal ganz schief angeguckt. In Spanien ist das Geldwechseln kein Problem, dort nimmt man sich einfach generell etwas mehr Zeit für alles. Und in Skandinavien ist alles so teuer, dass man eigentlich gar nicht einkaufen will. Es wäre mal eine interessante Doktorarbeit, das vereinigte Europa anhand der Supermarkt-Gewohnheiten zu vergleichen. Bei Lidl in Danzig hatte ich 14,97 Zloty zu zahlen. Als ich einen 20 Zloty-Schein hingelegt hatte und noch eine Fünf-Zloty-Münze hinlegen wollte, damit ich einen Schein wieder bekomme, wurde ich wie ein Außerirdischer angeschaut. Auf Polnisch gab mir die Verkäuferin zu verstehen, dass sie so gar nichts von meiner Idee hielt. Also bekam ich mein Wechselgeld in Münzen zurück, womit ich auch gut leben konnte. Die Münzen brauchte ich dann ja auch, um mein Parkticket zu bezahlen. Nachdem ich aber vergeblich einen Automaten gesucht hatte, und einen Sicherheitsmann fragte, wo ich mein Ticket bezahlen könnte, sagte der mir, dass er das regelt. Super, dachte ich. Für 50 Zloty, sagte er. Nicht mehr so super, sagte ich. Na gut, 15 Zloty, sagte er. Damit konnte ich dann leben. Ein ähnliches Wettbieten könnte ich mir auf einem Lidl-Parkplatz in Hamburg aber nur schwer vorstellen. Nun gut, irgendwie habe ich es dann mit Taschentüchern und Shampoo bis nach Hause geschafft. In einer Stunde muss ich dann ohnehin – bewaffnet mit jeder Menge Taschentüchern – wieder los, weil es dann endlich nur um Fußball geht. Ich freu mich drauf!

In dem Sinne, bis morgen,

Kai Schiller

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller begleitet die deutsche Nationalmannschaft während der EM. Jeden Tag schreibt er einen Brief an Hamburg, heute aus Sopot bei Danzig.