Deutschlands Männer am Mikrofon schicken die TV-Nation bei der EM durch eine Achterbahn. Stimmen Sie ab: Wer kommentiert am Besten?

Hamburg. Das mit dem direkten Vergleich ist ja auch verwirrend. Am letzten Spieltag der Gruppenphase dieser Europameisterschaft rätselten die Fußball-Fans: Wer kommt wann weiter? Die Tabellensituation stellte selbst(ernannte) Profis vor Probleme. ZDF-Chefkommentator Béla Réthy verkündete nach dem 1:0 der Spanier gegen Kroatien kurz vor Schluss: "Jetzt müssen die Kroaten schon zwei Tore schießen." Dabei hätte doch - genau wie vor dem Treffer - auch eines zum Weiterkommen gereicht. Aber wer soll da schon durchsteigen?

Noch schlimmer erging es Gerd Gottlob. Als der NDR-Sportchef beim bitteren Aus von Gastgeber Ukraine plötzlich Julia Timoshenko und nicht Anatolij Tymoshchuk als Ersatz-Kapitän für den verletzten Andrej Shewtschenko nominierte, war es mal wieder soweit. Millionenfaches Stirnrunzeln, Häme und Spott sorgten für einen formidablen Shitstorm in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook. Dabei geht schlimmer immer. Zum Beispiel dann, wenn man seinen Fehler in der zweiten Halbzeit gleich wiederholt.

Fußball-Kommentatoren gehören zu den streitbarsten Subjekten seit Erfindung der Live-Übertragung. Von Millionen bewundert, von ebenso vielen gehasst. Die Männer am Mikro (Sabine Töpperwien darf nur die Bundesliga im Radio begleiten) können beinahe nur verlieren. Selten einmal sticht einer ihrer Artgenossen mit besonders pointierten Betrachtungsweisen aus dem Alltags-Kauderwelsch hinaus. Meistens sind es aber die kleinen und großen Fehler, die in den heimischen Wohnzimmern der Bundesrepublik Fernseh-Deutschland Zornesröte in die Gesichter der Amateur-Experten auf der Couch treiben.

Sowieso weiß es jeder besser, das ist ja klar. Und dass ZDF-EM-Neuling Oliver Schmidt bei seinem Premieren-Einsatz die Nervosität lähmend auf der Stimme lag, verziehen ihm die Fußball-Fans ja auch. Seinen ZDF-Kollegen Thomas Wark traf es härter. Er hatte seinen dahin dösenden Zuschauern beim zugegeben gähnend langweiligen "Kracher" England gegen Frankreich einen 0:0-Halbzeitstand verkauft. Damit unterschlug er sowohl Joleon Lescotts Führungstreffer als auch Samir Nasris Ausgleich für die Franzosen. Nur mit viel Wohlwollen ist das dem Konzentrationsabfall geschuldet. Dass bereits vor dem Seitenwechsel plötzlich Hugo Lloris das englische Tor hütete (immerhin empfahl sich Wark durch eine nahezu perfekte Aussprache für einen Dolmetscher-Posten), unterstreicht die Misere des ZDF. Die Mainzer stolpern mit ihrer Berichterstattung von den Titelkämpfen in Polen und der Ukraine meilenweit den Kollegen der ARD hinterher.

Durch eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle schickte der ehemalige RTL-Mann und jetzige ARD-Kommentator Tom Bartels seine Zuhörer, als er die spanische Demontage der Iren besprach. Wie immer geizte Bartels nicht mit Informationen. Er hatte aber während seiner Spielvorbereitung die korrekte Aussprache der spanischen Akteure unterschlagen. Dass aus Gerard Pique auf einmal mit "Gerrard Pike" die Kreuzung aus englischem Mittelfeldspieler und unbeholfenem Amateurkicker wurde, war ein Schönheitsfehler. Bartels punktete, als er kurz vor Schluss minutenlang schwieg und stattdessen sein Publikum am gänsehaut-geladenen Gesang der irischen Fans teilhaben ließ. Er transportierte so einen der emotionalen Höhepunkte dieser Europameisterschaft.

Bis zum Finale am 1. Juli wird es trotz des irischen Ausscheidens hoffentlich noch den einen oder anderen gefühlsechten Klimax geben. Das Endspiel, so sehen es die weit im Vorfeld des Turniers ausgehandelten Verträge vor, wird im "Zweiten" zu sehen sein. Das ist Chefsache, na klar. Wer sonst als Béla Réthy sollte dann am Mikrofon sitzen? Das ZDF-Urgestein erfuhr im World Wide Web bei der EM bislang die meisten Erwähnungen. Die Süddeutsche Zeitung verglich seinen Stil zu kommentieren mit "dem Vorlesen einer Packungsbeilage von Kopfwehtabletten" - frei nach dem Motto: in der Ruhe liegt die Kraft . Réthy ist seit jeher der deutsche Gegenpol zu seinen südländischen Kollegen, deren Stimmen sich zeitweise beim Überschlagen überschlagen.

Réthy macht so schnell keiner was vor. Selbst der Wettergott, der die EM bei der Regenschlacht zwischen Frankreich und der Ukraine um ein weiteres Kuriosum bereicherte, konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen. Mit seinem jahrelangen Assistenten saß Réthy da und sprach über das Wetter. Natürlich. Es regnete ja. Wie verrückt. Eine ganze Stunde lang. Heraus kam bei Réthys Sermon zwar kein Fernsehpreis, wie ihn sich Günther Jauch und Marcel Reif beim legendären "Torfall von Madrid" erplauderten. Der ZDF-Chefkommentator bewies zumindest aber größtmögliche Souveränität und hielt die Zuschauer vor den Bildschirmen.

Sein ganz persönlicher Glücksfall wäre wohl ein deutscher Finaleinzug. In ihrer Bierseligkeit würden die Fans vor den Bildschirmen der Nation dann sicher viel zu nervös, um Réthy konzentriert zu lauschen. Und wer weiß? Bei Mario Gomez 1:0-Siegtreffer in der 85. Minute würde sicher auch Béla Réthy aus der Haut fahren. Und dann wäre auch der Kommentator endlich mal ein Sieger.