Wieder ein Sommermärchen ohne Happy End: Um 22.36 Uhr war der schöne Traum vom Titelgewinn für Deutschland im Wiener EM-Finale gegen Spanien (0:1) auch für die mehr als 500 000 auf der Fanmeile in Berlin zu Ende.

Dabei hatte am Nachmittag im hellen Sonnenlicht alles so schön angefangen - mit Begeisterungsstürmen auf Deutschlands größter Fußballparty: Jubel, Tanz und Fahnenschwenken. Doch bis zum ersten Schock dauerte es im Spiel nicht lange. Entsetzen und für lange Sekunden erstmals Totenstille rund ums Brandenburger Tor, als Torres in der 33. Minute mit dem 1:0 für Spanien die deutschen Hoffnungen brutal platzen ließ.

Schon kurz nach der ersten Viertelstunde, als Torhüter Jens Lehmann mit einem Reflex den Rückstand noch verhindern konnte und in der 23. Minute, als der Ball gegen den Pfosten des deutschen Tores prallte, war es hörbar leiser geworden und hatten einige tausend Fans die Tröten und Rasseln abgesetzt. Die Optimisten gewannen zwar schnell wieder Oberwasser, aber immer mehr machte sich auch die Ahnung breit, dass alle Unterstützung vergebens sein könnte an diesem Abend. Symbolisch die Szene, als Kapitän Ballack am Auge blutend am Boden lag und die Fans schockiert waren.

Trost und Wärme durch die anhaltende Solidarität der Fans können sich die Spieler und das deutsche Trainer-Team nun für diesen Montag (14.30 Uhr) erhoffen, wenn die Mannschaft an gleicher Stelle am Brandenburger Tor empfangen wird.

Spät in der ersten Halbzeit hatten sich die ganz wenigen Spanier im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer erstmals bemerkbar gemacht. Sechs Mädchen aus Santander im Norden Spaniens hüpften ausgelassen und rissen die Arme hoch. Maria (17) sagte, als sich der erste Jubel gelegt hatte und die Deutschen ihr Team wieder lautstark anfeuerten: "Ein bisschen unwohl fühlen wir uns ja, weil wir so wenig sind. Aber das Tor war so toll." In der Menge "outeten" sich zwei Berlinerinnen für Spanien, ihre Freunde sind Spanier, "und die haben doch so lange nichts gewonnen", sagte die 20-jährige Julia.

Lange Stunden vor dem Match bestimmten ganz allein die deutschen Fans die Szene. Die Fans zog es in Scharen und so früh wie noch nie zur erhofften Fußballfeier. Aus allen Himmelsrichtungen setzte der Ansturm von gut 500 000 Menschen in, die unablässig aus wild geparkten Autos und überfüllten S- und U-Bahnen quollen. Schon dreieinhalb Stunden vor Spielbeginn hieß es von Polizei und Veranstalter der Riesenparty: "Alles dicht."

Bei strahlendem Sonnenschein waren die Rot-Kreuz-Helfer deshalb schnell besorgt: "Wir haben so früh wie noch nie erste Besucher mit Kreislauf-Problemen. Viele Fans haben zu wenig gegessen und getrunken, Alkohol fließt, und die Sonne gibt den Rest dazu." Mehrere Fans landeten laut DRK im Krankenhaus. "Die Leute fallen um wie die Fliegen", hieß es.

Nach Angaben der medizinischen Helfer war die Stimmung "deutlich unruhiger als beim Halbfinale gegen die Türken". Nahe der Siegessäule kippten zwei Bauzäune, aber die Polizei, die für den Fußball in Berlin mit 1600 Beamten im Einsatz war, hatte die Lage nach eigenen Angaben rasch im Griff.

Vor den Sperren war der Ärger aber ziemlich groß. "Unsere Laune ist im Tiefkeller", schimpfte eine Frau aus dem brandenburgischen Erkner, die mit Mann und fünf Kindern den 55. Geburtstag von Tante Uta auf der Fanmeile feiern wollte und abgewiesen wurde.

Auf der Meile freuten sich viele auf die Party im Doppelpack. "Morgen kommen wir wieder", hieß es zumindest vor der Niederlage gegen Spanien allerorten. Im Tiergarten hatten zahlreiche Fans wie in Indianerdörfern schon mehrere Zelte aufgebaut, um für den Montag die besten Plätze zu haben, wenn sich das Team von Cheftrainer Joachim Löw für die Unterstützung während der EM in Berlin bedankt.