Seefeld. Eigentlich wollte Bundestrainer Löw in wenigen Tagen mit seinem EM-Kader ins Trainingslager nach Tirol reisen. Doch Corona hat alle Fußball-Sommerträume platzen lassen. In Seefeld verfolgen sie aber schon ein neues Motto: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Ein letztes Willkommens-Transparent haben sie in Seefeld erst jetzt abgebaut. Die Vorfreude auf Manuel Neuer, Toni Kroos, Timo Werner und die anderen deutschen Fußballstars war in der Alpen-Gemeinde riesig.

Bis das Coronavirus einen Strich durch die Pläne der österreichischen Olympia-Region und auch die von Joachim Löw machte. In wenigen Tagen wollte der Bundestrainer mit dem DFB-Team nach Tirol reisen, um die Nationalmannschaft dort auf die Jubiläums-Europameisterschaft in zwölf Ländern vorzubereiten.

Die schönen Sommerträume sind geplatzt. Es gibt 2020 kein Camp in Seefeld. Es gibt auch kein Turnierquartier beim DFB-Partner Adidas in Herzogenaurach und keine deutschen EM-Festspiele in München gegen Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal. Aber es gibt an allen Standorten längst ein neues Motto: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! In Seefeld hoffen Tourismusverband, Hoteliers und die Einwohner, dass Löw und Co. nun eben 2021 zu ihnen kommen.

"Beide Parteien haben signalisiert, dass wir das Trainingslager verschieben und nicht absagen", sagte der Geschäftsführer der Olympia-Region, Elias Walser, der Deutschen Presse-Agentur: "Wir gehen davon aus, dass der DFB im nächsten Jahr bei uns ist."

Die Transparente werden nicht eingestampft, sondern verstaut. Auch das Konzept, das vor der EM-Verschiebung auf den 11. Juni bis 11. Juli 2021 durch die UEFA Mitte März "ziemlich fertig" war, wie Walser am Telefon erzählt, verschwindet vorläufig nur in der Schublade.

Vom Projekt sind sie in Seefeld überzeugt. "Wir hätten mit einem großen Run an Fans und Medien gerechnet", sagte Walser, der dabei einen Vergleich zur Nordischen Ski-Weltmeisterschaft 2019 zog. "Die mediale Aufmerksamkeit wird ein Vielfaches höher sein. Fußball und die deutsche Nationalmannschaft, da gibt es nichts Vergleichbares."

Die Bedingungen in Seefeld und die große Erfahrung der Gastgeber hätten ihn "absolut überzeugt", erklärte Löw, als der DFB im Herbst 2019 das Trainingscamp bekanntgab. Das Wellnesshotel "Nidum" sollte eine Wohlfühloase für den DFB-Tross sein. In Sichtweite der Skisprungschanzen hätten Neuer und Co. trainiert. "Die deutsche Nationalmannschaft zu begrüßen, wäre eine große Ehre für uns gewesen", sagte Hotelchef Maximilian Pinzger der dpa: "Aber durch Corona hat sich alles verändert." Ihm und der Region seien "ein riesiger Marketing-Effekt" entgangen. Auch er hofft nun auf 2021.

Im "Nidum" sollten kurz nach der Abreise der deutschen Kicker deren österreichische Kollegen um die Bundesligaprofis David Alaba (FC Bayern) und Marcel Sabitzer (RB Leipzig) einziehen. Das ÖFB-Team wollte während der EM in Seefeld wohnen und trainieren und vom nahen Innsbruck aus zu seinen Partien quer durch Europa fliegen.

Das Hotel ist angesagt in der Fußballbranche. RB Leipzig bereitete sich im vergangenen Sommer mit dem neuen Trainer Julian Nagelsmann dort auf die Bundesligasaison vor. "Die Leipziger sind Stammgäste", erzählt Chef Pinzger. Für diesen Sommer habe der Club aus Sachsen wegen Corona aber leider auch absagen müssen.

Vor neuen Verhandlungen zwischen dem DFB und Gastgeber Seefeld ist erstmal die UEFA am Zuge. Der Deutsche Fußball-Bund geht fest davon aus, dass die EM unverändert in "zwölf Ausrichterstädten" ausgetragen wird, wie Generalsekretär Friedrich Curtius sagte. Eine Entscheidung könnte Mitte Juni fallen, wenn die UEFA-Exekutive tagt.

Auch DFB-Direktor Oliver Bierhoff und Bundestrainer Löw müssen aufs Neue eine EM-Saison planen. Löw befindet sich aktuell in einer Art Dauer-Warteschleife. Der 60-Jährige wechselte nahtlos von der Winter- in die Sommerpause. Frühestens im September gibt es das erste Länderspiel im Corona-Jahr 2020. Löw ist froh, dass zumindest die in der Bundesliga aktiven Nationalspieler wieder im Einsatz sind.

"Als Bundestrainer freue ich mich natürlich, wenn sie wieder in einen Wettkampfmodus kommen", sagte Löw: "Das ist ein wichtiger Schritt." Auch seine Planungen seien "nach vorne gerichtet", auf die Zeit nach der Corona-Krise. Chef-Organisator Bierhoff beobachtet sehr genau die Geisterspiele in der Bundesliga. Aus diesen könnten "sich auch mit Blick auf die Ausrichtung möglicher Länderspiele, die wir uns alle in der zweiten Jahreshälfte wünschen, wichtige Impulse ergeben".

© dpa-infocom, dpa:200519-99-119067/4