Dortmund. Zweimal legt der Meister vor, doch am Ende jubelt der Tabellenführer – weil Alcácer den Rekord einer HSV-Legende egalisiert.

Dem FC Bayern droht der Verlust seiner jahrelangen Vormachtstellung im deutschen Fußball. Nach zuletzt sechs Meisterschaften in Serie scheint der Erzrivale Borussia Dortmund auf gutem Weg, dem Rekordmeister den Rang abzulaufen. Mit dem 3:2 (0:1) im hochklassigen Bundesliga-Gipfel vergrößerte der Tabellenführer den Abstand zu den Münchnern auf sieben Punkte. Vor 81.365 Zuschauern im ausverkauften Signal-Iduna-Park sorgten am Sonnabend Marco Reus (49./Foulelfmeter, 67.) und Paco Alcácer (71.) für den Heimsieg der Borussia.

"Wir haben lange Zeit ein gutes Spiel gemacht, aber in der zweiten Hälfte die Konter nicht mehr gut unterbunden und die Kontrolle abgegeben", sagte Bayern-Verteidiger Mats Hummels, der mit einer Erkältung in die Partie gegangen war und ausgewechselt wurde, am Sky-Mikrofon. Die bereits dritte Niederlage im elften Saisonspiel dürfte in München für neue Unruhe sorgen und die Stellung von Trainer Niko Kovac weiter schwächen. Selbst eine zweimalige Führung durch Robert Lewandowski (26./52.) konnte die Schlappe nicht abwenden.

"Es darf uns nicht passieren, dass wir uns zweimal so auskontern lassen, da hätten wir kompakter stehen müssen", sagte Kovac. "Wir haben noch einiges zu tun, aber spielerisch, kämpferisch und auch taktisch können wir auf der Leistung aufbauen." Für die Borussia war es das elfte Punktspiel seit dem Saisonstart in Serie ohne Niederlage. Das war ihr bisher nur in der Saison 2002/2003 gelungen. "Sieben Punkte Vorsprung sind schön, aber es ist viel zu früh, über die Meisterschaft zu reden", mahnte Reus nach einem "geilen Spiel".

Bayern-Strategie geht zunächst auf

Anders als Kovac, der im Vergleich zum Champions-League-Spiel der Bayern drei Tage zuvor gegen Athen keine Änderung vornahm, beorderte BVB-Coach Lucien Favre gleich fünf neue Profis in die Startelf. Für den verletzten Roman Bürki hütete Marvin Hitz das Tor, für Alcácer stürmte zunächst Mario Götze. Die Umstellungen waren dem Spiel der Borussia zunächst wenig zuträglich. Denn der FC Bayern übernahm von Beginn an die Regie. Gleichwohl erspielte sich der BVB die erste Torchance, als Marco Reus nach einem Fehler von Mats Hummels bei einem Konter in der 10. Minute allein auf Manuel Neuer zulief, aber am Bayern-Keeper scheiterte.

Doch die Strategie der Bayern, auf mehr Ballbesitz zu setzen, erwies sich schon bald als die erfolgreichere. Vor allem über beiden Außenpositionen erhöhten sie den Druck auf die BVB-Defensive. Das wurde schnell belohnt: Nach Flanke von Serge Gnabry war der ehemalige Dortmunder Lewandowski per Kopf zur Stelle und sorgte aus kurzer Distanz mit seinem sechsten Saisontreffer für die Führung der Gäste.

"Bayern hat viel Druck gemacht, wir haben nicht richtig ins Spiel gefunden", gestand Reus. Der Treffer beruhigte die bis dahin hektische und temporeiche Partie. Zwar bemühte sich das Favre-Team nun um mehr Spielanteile, brachte die Münchner Deckung jedoch bis zur Pause nicht mehr in Verlegenheit. Wie schon beim 0:2 vier Tage zuvor bei Atlético Madrid blieb vor allem die BVB-Offensive weit hinter ihren Möglichkeiten.

Neuer foult Reus elfmeterreif

Zudem erwies sich die verwunderliche Personalentscheidung von Favre, Julian Weigl in das defensive Mittelfeld zu beordern, als Fehlgriff. 6:1 Torschüsse in den ersten 45 Minuten zugunsten der Bayern entsprachen dem Kräfteverhältnis auf dem Rasen. «Man sollte die Bayern nicht abschreiben. Sie machen ein konzentriertes und gutes Spiel», lobte Bundestrainer Joachim Löw zur Halbzeit.

Ein Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Manuel Gräfe kurz nach dem Wiederanpfiff nach Foul von Bayern-Torhüter Manuel Neuer an Reus brachte die Borussia urplötzlich zurück ins Spiel. Doch die Freude über den sicher verwandelten Strafstoß von Reus währte nur drei Minuten. BVB-Schreck Lewandowski stellte die alte Führung wieder her, als er eine Flanke von Joshua Kimmich aus kurzer Distanz ins Tor köpfte.

Alcácer egalisiert Dörfel-Rekord

Den neuerlichen Rückschlag steckte die Borussia mit erstaunlicher Moral weg. Mit sehenswertem Hochgeschwindigkeitsfußball drehte sie die Partie. Ausgerechnet Reus, der zuvor einige Chancen vergeben hatte, traf mit einem platzierten Schuss zum Ausgleich. Sechs Minuten später schloss Joker Alcácer einen Konter mit seinem achten Saisontreffer ab.

Für den Spanier war es in seinem sechsten Bundesligaspiel das achte Tor – das hat bislang nur HSV-Legende Gert "Charly" Dörfel in der Premierensaison 1963/64 geschafft, wie die Statistikexperten von Opta Deutschland herausgefunden haben. Dörfel (79) legte seinerzeit übrigens am siebten und achten Spieltag die Treffer neun und zehn nach.

Lewandowski gelang in der Nachspielzeit noch per Hacke der vermeintliche Ausgleich, doch der Torjäger stand klar im Abseits.