Bundestrainer treibt endlich den Umbruch voran – und die Spieler danken es ihm mit attraktivem Fußball. Die Niederlage war unnötig.
Paris. Die deutsche Nationalmannschaft kann also doch modernen Fußball spielen. Bedingt durch fünf personelle Änderungen zeigte die DFB-Elf in Frankreich eine deutliche Leistungssteigerung im Vergleich zum 0:3-Debakel weniger Tage zuvor in den Niederlanden. Dennoch ging die Mannschaft am Ende mit 1:2 als Verlierer in der Nations League vom Platz. Eine bittere, weil unnötige Niederlage, die aber Hoffnung auf Besserung schürt.
Bundestrainer Joachim Löw scheint akzeptiert zu haben, dass er den Umbruch vorantreiben muss. Die Offensive – besetzt mit Leroy Sané, Serge Gnabry und Timo Werner – harmonierte prächtig und hatte deutlich mehr Tempo und Spielwitz als sämtliche Angriffsformationen seit dem WM-Titel 2014.
TV-Quote: 11,7 Millionen sehen DFB-Spiel
11,69 Millionen Zuschauer (39 Prozent Marktanteil) machten sich in der ARD ein Bild davon – und staunten nicht schlecht, wie der ehemalige den aktuellen Weltmeister vor allem in der ersten Hälfte mit zahlreichen Tempogegenstößen schwindlig spielte. Einziges Manko war mal wieder die Chancenverwertung. Dadurch wurde der Gastgeber im Spiel gehalten – und die Franzosen bestraften Deutschland eiskalt nach der Pause in Person von Antoine Griezmann, der mit einem Doppelpack das Spiel drehte.
Die internationale Presse reibt sich derweil die Hände – die erneute Niederlage für die DFB-Elf scheint besser in die offenbar vorgefertigte Meinung zu passen. Die Kommentare reichen von Vorfreude über einen möglichen deutschen Abstieg aus der Gruppe A in der Nations League bis hin zum Abgesang von Joachim Löw. Dabei sitzt der Bundestrainer erst einmal wieder fest im Sattel, wie Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff nach dem Spiel bekräftigte. Die Niederlage in Frankreich sei ein „wichtiges, gutes Zeichen“ pro Löw gewesen, urteilte Bierhoff.
Eine Übersicht der internationalen Pressestimmen:
Großbritannien
„The Sun“: Löws „Zwölfjährige Amtszeit als König des deutschen Fußballs scheint sich dem Ende zu nähern.“
Frankreich
„Le Parisien“: Die französische Mannschaft hat „die beste Mentalität der Welt, einen Griezmann, der in Schlüsselmomenten trifft, einen Top-Torhüter und eine Armee von Hunden unter der Führung von Kanté, die zum Opfer bereit ist. Das Ganze ist ein Team, mit einem inspirierten Deschamps. Es ist jeden Tag der 15. Juli.“
„L’Équipe“: „Eine erste Halbzeit nicht auf dem Niveau eines Weltmeisterteams. Ein Mangel an Kontrolle über den Ball und die Ereignisse. Aber dann Charakter, um sich durchzusetzen. Griezmann hat ein schlecht begonnenes Spiel gedreht. Les Bleus wurden durch einen imaginären Elfmeter gerettet. Aber sie haben trotzdem eine weltmeisterwürdige Reaktion gezeigt, um Deutschland den Gnadenstoß zu geben. Und am Ende, jetzt wissen wir es, gewinnt immer Frankreich und lässt Deutschland in tiefen Selbstzweifeln zurück."
"Le Parisien": "Die Franzosen kleben den Weltmeister von 2014 ans Tabellenende. Das ist der Feiertag nach dem Feiertag (des zweiten WM-Titels, die Red.)."
"Ouest France": "Les Bleus haben ihre Stärken wiederentdeckt. Nach dem Ende eines Fußballspiels, das seinen Namen verdient, wissen wir, warum sie Weltmeister geworden sind. Griezmann ist der Führungsspieler."
"Courrier de l'Ouest": "Die Krallen eines Weltmeisters. Les Bleus haben eine Halbzeit deutscher Überlegenheit überstanden, um sich dann mit kaltem Realismus durchzusetzen. Deutschland hat den Durchbruch nicht geschafft, und Frankreich dann reagiert."
Österreich
„Kronen-Zeitung“: „Am Ende also zwei umstrittene Elfmeter auf beiden Seiten, ein schönes Tor von Griezmann, und unterm Strich: Deutschland spielte besser als bisher, nur selbst das war zu wenig gegen den Weltmeister.“
„Kurier“: „Für Joachim Löw wird es nicht leichter: Nach dem 0:3 gegen die Niederlande zeigte sich Deutschland in Paris verbessert, am Ende setzte es gegen Frankreich aber die zweite Niederlage in der Nations League.“
Schweiz
„Blick“: „Trotzdem ists gut, was die Deutschen bieten, die wohl beste Leistung des schlecht bis unterirdischen Jahres 2018. Das Endergebnis? 2:1. Es muss die Deutschen besonders schmerzen – sie, denen über Jahre auch durchschnittliche Leistungen genügten, um zu siegen. Sie verlieren gegen Franzosen, deren Bestform weit vom Gezeigten entfernt ist. (...) Und jetzt? Jogi Löw dürfte der couragierte Auftritt reichen, um ihm Amt zu bleiben.“
„Tages-Anzeiger“: „Deutschland steht hingegen dem Abstieg in die Liga B sehr nahe. Und der Druck auf Löw wird nach der sechsten Niederlage in diesem Jahr nochmals grösser werden. Sechsmal in einem Jahr hatte Deutschland in seiner Historie bislang noch nie verloren.“
Italien
„Gazzetta dello Sport“: „Frankreich ist mittendrin. Für Deutschland geht die Tortur des Abstiegs (...) weiter.“
Spanien
„La Vanguardia“: „Der Weltmeister hat sein solides Spiel, das vor drei Monaten in Russland so beeindruckend war, verloren. In einer Zeit, in der mehr über den Ballon d’Or als über alles andere gesprochen wird, sind Einzelpersonen in einem Team entstanden, das dafür bekannt ist, in erster Linie ein Kollektiv zu sein.“
wal/sid/dpa